„Unsere exportorientierte Wirtschaft muss sich auf schwierige Zeiten einstellen“, warnte jüngst BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang im Zuge der Coronavirus-Krise. Angesichts solch düsterer Prognosen ist es immer wieder erfreulich, von Unternehmen zu hören, die in der Krise aufblühen und plötzlich auftretende Chancen für sich nutzen: Kunden, die sich lange nicht mehr gemeldet hatten, bestellen wieder in stattlichen Größenordnungen. Diese wiedererwachten Kundenbeziehungen müssen nun durch „Sales Power“ gefestigt werden.

Zum Beispiel waren deutsche Mittelständler in der Bodenbelagsbranche in den vergangenen Monaten auf einmal wieder im Spiel. Die Hauptwettbewerber für keramische Bodenbeläge aus Italien, Spanien und China taten sich schwer, ihre Kunden wie gewohnt zu beliefern. Als Lieferketten schwächelten oder ganz nachgaben, suchten ihre Abnehmer nach Alternativen – und sie wurden nicht selten in Deutschland fündig. Nach den ersten Schockwellen der Corona-Krise verzeichnete die Wirtschaft so auch überraschend positive Entwicklungen.

Lieferanten, bei denen schon lange nichts mehr bestellt wurde, waren plötzlich gefragt, die ausgefallenen Lieferungen der Konkurrenz zu kompensieren. So wird es nach der Krise Unternehmen geben, die sich fragen müssen: Lässt sich krisenbedingter Zusatzumsatz in nachhaltige und stabile Kundenbeziehungen überführen? Welche Vertriebsstrategie kann ein Unternehmen daraus ableiten? Im Zuge unserer Projekte stellen wir immer wieder fest, dass die meisten Unternehmen ihre Absatzmärkte gut oder sehr gut kennen, doch verfügen leider nur die wenigsten über eine verbindliche und operationalisierte Vertriebsstrategie.

Dieses überraschende Versäumnis fußt oft auf mangelhafter Methodik und fehlendem Umsetzungswillen – speziell im Vertrieb. Doch es wird nach der Krise Unternehmen geben, die eine formale Vertriebsstrategie definieren sollten. Glücklicherweise lässt sich mit einem einfachen und nachvollziehbaren Verfahren in etwa sechs Wochen ein solches Versäumnis nachholen. Unternehmen sollten Vertriebsstrategien für einzelne Produkte / Produktgruppen, Dienstleistungen und Lösungen entwickeln. Und diejenigen, die diese Aufgabe richtig angehen, werden die folgenden sechs zentralen Fragen klar und deutlich für sich beantworten können.

1. Was ist der relevante Markt für das fokussierte Angebot und wie entwickelt sich dieser?Auch wenn die meisten Unternehmen ihre Absatzmärkte gut kennen, erleben wir häufig, dass kaum Marktstudien vorliegen: Der eigene Markt und insbesondere die Subsegmente werden nicht regelmäßig beobachtet und bewertet. So lässt sich die kunststoffverarbeitende Industrie zum Beispiel in Anwendungsbereiche – für Kabel, Behälter und so weiter – segmentieren. Beim Erarbeiten einer Vertriebsstrategie geht es in einem ersten Schritt darum, Status und Entwicklung der Absatzmärkte herauszuarbeiten und Trends – sowie gegebenenfalls neue Vertriebswege (E-Commerce / Digital-Plattformen) – zu identifizieren.

2. Welche weiteren Marktteilnehmer verfügen über welche Marktanteile und Kapazitäten?

Das Wettbewerbsumfeld ist ein strategisch wichtiger Faktor. Unternehmen müssen wissen, welche Anteile des ermittelten Marktvolumens durch Hauptwettbewerber abgedeckt werden und welche strategischen Ansätze diese Wettbewerber verfolgen – zum Beispiel mit Blick auf neue oder erweiterte Angebote. Nach unserer Erfahrung werden Wettbewerber in der Regel nur pauschal bewertet. Wichtig ist aber eine differenzierte Betrachtung von Stärken und Schwächen, um die eigene Wettbewerbsposition besser verstehen zu können.

3. Wie ist die eigene Leistungsstärke in den jeweiligen Marktsegmenten zu bewerten?Unternehmen sollten nicht nur bewerten, wie sich Märkte und deren Teilnehmer entwickeln, sondern auch, wie die eigene Leistung in dieses Bild passt. Dieser Abgleich verdeutlicht oft ersten Handlungsbedarf: Zum Beispiel, dass grundsätzlich margenstarke Segmente unterrepräsentiert sind, oder großvolumige Kunden nur durch die Wettbewerber bedient werden. Das Unternehmen kann dadurch klar einschätzen, welche Segmente in Hinblick auf Wachstum und Profitabilität der Vertrieb künftig priorisieren sollte.

Sales Power Abb 1-3

4. Welches (Zusatz-)Potenzial besteht in den relevanten Marktsegmenten?

Nur was gemessen wird, kann auch verändert werden. Eine gute Vertriebsstrategie erfordert deshalb immer eine genau messbare Zielsetzung, um die Schritte in Richtung Erfolg aufzuzeigen. Marktvolumina und -wachstum sind gute erste Indikatoren, wo und in welcher Größenordnung diese Ziele gesetzt werden können. Die eigentliche Herausforderung besteht allerdings darin, diese abstrakten Marktpotenziale zu konkretisieren und zum Ziel zu setzen.

5. Mit welchen Kunden kann dieses Potenzial realisiert werden?

Durch zielgerichtete Zusammenführung von internen und externen Daten können Unternehmen diese Marktpotenziale auf einzelne Kunden herunterbrechen. Das Ergebnis ist eine Übersicht von Zielkunden inklusive Ansprechpartner; das für das Unternehmen erreichbare konkrete Potenzial. Diese Daten bieten eine ausgezeichnete Basis für die tägliche Vertriebsarbeit und für die Umsetzung einer gezielten Vertriebsoffensive.

6. Welche messbaren Vertriebsziele lassen sich daraus ableiten und bis wann realisieren?

Unternehmen müssen ihre Produktionsmanager noch mehr als vor der Krise in die übergreifenden Planungs-, Kommunikations- und Führungsprozesse einbinden. Sie müssen unter Umständen etablierte Kennzahlen- und Steuerungskonzepte anpassen. In stark verketteten oder hoch automatisierten Produktionssystemen wie der Automobil- oder Elektronikfertigung werden Produktionseinheiten üblicherweise nach Effizienzgrößen wie Anlagenauslastung gesteuert. Zumindest vorübergehend sollten Unternehmen etwa Planungsqualität, Flexibilität und Liefertreue als prioritäre Kennzahlen benutzen.

Sales Power Abb 2

Zielkunden werden nach Vertriebsverantwortungen – beispielsweise nach Ländermärkten oder Regionen – zugewiesen. Das Unternehmen gibt jedem Vertriebsmitarbeiter konkrete Ziele auf Einzelkundenbasis vor, die genau gesteuert und überprüft werden können. Ziele könnten mit Kundenterminen verbunden werden, sodass Umsatzpotenzial und etwaige Realisierung von der Vertriebsleitung gut geplant und eng gesteuert werden können.

Unternehmen werden eine datengestützte Vertriebssteuerung einsetzen müssen, um alle Fragen zu beantworten. Sie müssen interne und externe Daten auswerten und so im Feld „Data-Driven Sales“ Fuß fassen – die Basis einer erfolgreichen datengestützten Vertriebssteuerung. Vor der Krise erlebten wir oft, dass das Tagesgeschäft mehr von operativer Hektik als von konzeptioneller Marktausrichtung geprägt wurde. Aber Krisen eignen sich gut für Kurswechsel, denn jedes Unternehmen kann sich frei von Schuldzuweisungen mit einer allseits akzeptierten, umsetzbaren und gelebten Vertriebsstrategie neu ausrichten.

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