Krypto-Boom im Handel: Nur was für die Großen?
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US-Konzerne wie Amazon und Walmart wollen das Bezahlen revolutionieren. Jüngsten Berichten zufolge arbeiten sie an der Ausgabe eigener digitaler Währungen – sogenannter Stablecoins. Diese versprechen schnellere Zahlungsabwicklungen, geringere Kosten und mehr Kontrolle über Zahlungsströme. Grund genug auch für den deutschen Mittelstand, sich intensiver mit der Technologie auseinanderzusetzen, sagen Stella Weisser und Tom Agsten von enomyc. Die befassen sich seit Langem mit Blockchain- und Krypto-Themen und waren im Rahmen der Berlin Blockchain Week 2025 (BBW) vor Ort, um aktuelle Trends und Anwendungen zu analysieren. Im Beitrag erklären sie, was hinter dem Trend zum digitalen Bezahlen steckt – und wie sich Blockchain, Web3 und digitale Währungen in reale Geschäftsmodelle überführen lassen.

Ein neues Hemd? Sandalen für den Sommer? Karten für´s OpenAir-Konzert? Wenn wir etwas kaufen und bezahlen, freut sich nicht nur der Händler, sondern meist auch der beteiligte Kartenanbieter, die Bank oder ein anderer Zahlungsabwickler. Denn die verdienen immer mit. Allein 2022, so das Ergebnis einer Untersuchung, haben US-Händler mehr als 93 Milliarden US-Dollar an Abwicklungsgebühren an Anbieter wie Visa und Mastercard gezahlt.

Doch damit könnte bald Schluss sein. Denn durch die Nutzung von Blockchain-Technologie und Stablecoins lassen sich die Gebühren drastisch reduzieren. Gleichzeitig geht alles viel schneller, denn statt der bislang üblichen ein bis drei Tage können Zahlungen dann in Echtzeit abgewickelt werden. Damit besitzen Stablecoins das Potenzial, die Finanzwelt und insbesondere den E-Commerce-Sektor von Grund auf zu verändern – nicht zuletzt im Hinblick auf die Akzeptanz von Kryptowährungen im Massengeschäft. Eine Disruption mit Ansage?

Was sind Stablecoins und warum sind sie wichtig?

Stablecoins sind digitale Währungen, die in ihrer Wertentwicklung stabil (wörtlich: stabile Coins) und an reale Werte wie den US-Dollar oder den Euro gekoppelt sind. Ein Stablecoin hat also den Wert eines US-Dollars oder eines Euros. Stablecoins sind damit eine Art Brücke zwischen der digitalen Kryptowelt und der analogen Welt, in der mit US-Dollar oder Euro bezahlt wird. Damit unterscheiden sie sich von klassischen Kryptowährungen wie Bitcoin, deren Werte oft stark schwanken. Diese Stabilität macht sie besonders interessant für Unternehmen, die an schnellen und kostengünstigen Zahlungen interessiert sind.

Stablecoins werden bereits seit einiger Zeit in verschiedenen Bereichen eingesetzt, etwa für internationale Überweisungen, Decentralized Finance oder im Handel auf Krypto-Märkten. Der Vorteil: Die Transaktionen sind schnell, günstig und unabhängig von den Banköffnungszeiten möglich. So lassen sich mit USDT (Tether) oder USDC (USD Coin) Beträge beispielsweise weltweit innerhalb weniger Minuten transferieren. Stablecoins sind also keine neue Erfindung oder Technologie, sondern ein wichtiger Schritt hin zu einer dezentraleren und effizienteren Zahlungsinfrastruktur.

Folgende vier Stablecoins-Typen lassen sich unterscheiden:

  1. Fiat-gestützte Stablecoins wie USDC, USDT, EURC oder EURE: Diese Stablecoins sind durch reale Währung gedeckt.
  2. Krypto-gestützte Stablecoins wie DAI, die durch andere Kryptowährungen wie Ethereum besichert sind.
  3. Rohstoff-gestützte Stablecoins, die beispielsweise durch Gold gedeckt sind.
  4. Algorithmische Stablecoins, die Angebot und Nachfrage per Smart Contract regulieren.

Stablecoins dienen vor allem als Transaktionsmedium zwischen traditionellen Finanzsystemen und den Infrastrukturen der nächsten Generation, insbesondere im Bereich Web3.

Warum Konzerne eigene Stablecoins entwickeln

Amazon und Walmart, aber auch viele weitere Firmen testen aktuell Stablecoins mit dem Ziel, ihre Zahlungsinfrastruktur unabhängiger, schneller und kostengünstiger zu gestalten. Durch Umgehung der traditionellen Payment-Provider lassen sich die Transaktionskosten deutlich senken. Gleichzeitig versprechen sich die Unternehmen Effizienzgewinne durch Echtzeittransaktionen und internationale Skalierbarkeit.

Ein weiterer Vorteil von Stablecoins ist die Möglichkeit, die Datenhoheit von Kundinnen und Kunden zu stärken – etwa durch die Integration in Loyality-Systeme, Punkte-Sammlungen und Kundenanalytik. So erlauben Blockchain-basierte Stablecoins transparente Transaktionen, bei denen Kunden via Wallets mehr Kontrolle über ihre Daten haben, während Unternehmen präzise Einblicke in Kaufverhalten gewinnen. Ein Beispiel hierfür ist Starbucks mit seinem innovativen, auf Web3-Technoloige basierenden Odyssey-Programm, das NFT/basierte „Journey Stamps“ mit Stablecoin-Zahlungen verknüpft. Das ist möglich, weil Blockchain unveränderliche, dezentrale Datenverarbeitung bietet und Stablecoins stabile, schnelle Zahlungen garantieren, indem sie Smart Contracts verwenden, die Transaktionen und Datenflüsse automatisch und sicher verknüpfen.

Weitere für Unternehmen interessante Ansatzpunkte sind neue Erlösmodelle wie Micropayments, Token-Incentives, Cashbacks oder Smart Discounts. Mit der Emission eigener Stablecoins könnten die Konzerne komplette Payment-Ketten kontrollieren und so neue Marktstandards setzen. Solche Stablecoins fördern zudem innovative Geschäftsmodelle, indem sie Prozesse nahtlos und automatisiert in globale Ökosysteme integrieren. Die jüngste Marktentwicklung scheint dem Konzept Recht zugeben, jedenfalls übertrifft sie selbst optimistische Erwartungen: Die weltweite Marktkapitalisierung aller Stablecoins hat kürzlich die 250-Milliarden-Dollar-Marke überschritten – Tendenz weiter steigend.

Auch Verbraucherinnen und Verbraucher profitieren von Stablecoins, denn sie ermöglichen schnellere, günstigere und durch Smart Contracts flexibel anpassbare Zahlungsprozesse. Personalisierte Boni, individuelle Rabatte oder maßgeschneiderte Zahlungsmodelle lassen sich direkt ins System integrieren – insbesondere im E-Commerce oder bei Abo-Diensten. Wermutstropfen für Zahlungsdienstleister, Banken- und Kartenanbieter: Sie geraten zunehmend unter Kosten- und Margendruck, weil Händler die Zahlungskette vollständig übernehmen könnten. Sollte der Zahlungsverkehr tatsächlich plattformbasiert werden, entsteht ein neuer Gatekeeper: der Retailer selbst.

Kein Privileg der Tech-Giganten

Neben Amazon und Walmart engagieren sich bereits zahlreiche Akteure in der Stablecoin-Entwicklung. Banken wie JPMorgan testen Stablecoins mit JPM Coin und SocGen, aber natürlich sind auch Technologieunternehmen wie Meta, Apple, PayPal und Circle aktiv. Auch Zentralbanken haben die Relevanz des Themas erkannt: Über 100 Staaten testen aktuell Central Bank Digital Currencies (CBDCs). Diese digitalen Währungen, die von Zentralbanken herausgegeben werden, könnten langfristig die Art und Weise verändern, wie Zahlungen abgewickelt werden. Damit sind sie eine direkte Konkurrenz zu privaten Stablecoins. Die gesamte Infrastruktur verändert sich gerade extrem dynamisch, sowohl in der Realwirtschaft als auch auf den verschiedenen Plattformen sowie im Hinblick auf regulatorische Fragen.

In den USA wird mit dem GENIUS Act an einem gesetzlichen Rahmen für Stablecoins gearbeitet, der Transparenz, Reservenhaltung und Verbraucherrechte regelt. In der EU gilt seit Mitte 2023 die MiCA-Verordnung, die unter anderem vorsieht, dass Stablecoins mit einer vollen Reservendeckung ausgestattet sind. Zudem gelten strenge Anforderungen an Transparenz und Risikomanagement, während nicht-eurogestützte Stablecoins begrenzt sind. Das heißt: Unternehmen, die Stablecoins in Europa einsetzen wollen, müssen regulatorisch einwandfreie Strukturen schaffen und neue Wertschöpfungsketten mitdenken. Das ist eine große Herausforderung – und war deswegen auch eines der zentralen Diskussionsthemen auf der diesjährigen Berlin Blockchain Week.

Europa: Regulatorisch vorn, technologisch zögerlich

Mit MiCA liegt die EU regulatorisch gegenüber den USA zwar eindeutig in Führung, technologisch ist sie allerdings eher reaktiv. Zwar arbeitet die Europäische Zentralbank am digitalen Euro, aber private Initiativen sind noch restriktiv reguliert. Dies bietet Chancen für den Mittelstand: In Pilotprojekten, etwa mit regionalen Banken oder FinTechs wie Solaris, können Blockchain-basierte Stablecoins wie USDC in Zahlungsprozessen getestet werden. Dabei können Unternehmen wertvolles Know-how aufbauen. Eigene Token-Ökonomien, beispielsweise auf der Grundlage stabiler, an den Euro gebundener Tokens wie dem EURe e-money von Monerium, können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Kundenbindung zu verbessern. Zudem erlaubt die Integration digitaler Zahlungsmittel in bestehende ERP- und CRM-Prozesse, etwa durch SAP- oder Salesforce-Module, eine nahtlose Verarbeitung von Micropayments oder automatisierten Cashbacks. Das macht viele Prozesse deutlich effizienter und erlaubt eine präzise Analyse des Kundenverhaltens. Denn: Stablecoins sind kein Selbstzweck, sondern sollten als Werkzeug zur strategischen Differenzierung genutzt werden.

Mittelstand: Jetzt informieren und Chancen nutzen

Amazon, Walmart & Co legen vor. Die Frage ist: Wer zieht mit? Für den deutschen Mittelstand bietet die Entwicklung nicht nur Risiken, sondern vor allem auch Chancen, rechtzeitig Kompetenzen aufzubauen und neue Geschäftsmodelle zu erschließen. Die Blockchain Week in Berlin zeigt immer wieder eindrucksvoll, wie nah Vision und Umsetzung inzwischen beieinander liegen. In diesem Jahr verwandelte sich die Hauptstadt mit mehr als 100 dezentral organisierten Events erneut in ein globales Zentrum für Blockchain-Innovation, das Entwickler, Investoren und Vordenker zusammenbringt. Besonders hervorzuheben sind die praxisnahen Diskussionen zu Themen wie digitale Souveränität, KI-Integration und Real-World Asset Tokenisierung, bei denen es auch um konkrete Anwendungen für Wirtschaft und Gesellschaft ging. Die Veranstaltung, die durch Initiativen wie w3.hub und den Blockchain Bundesverband unterstützt wird, unterstreicht Berlins Rolle als europäischer Hotspot für Web3-Technologien.

Dabei ist einmal mehr klar geworden: Für Unternehmen, die frühzeitig in neue Technologien investieren, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Differenzierung und Skalierung. So wurden in Berlin Anwendungen präsentiert wie etwa eine Lieferketten-Plattform, die nachhaltige Materialien für Unternehmen wie BMW rückverfolgbar macht, oder eine FinTech-Lösung aus Kreuzberg, die mittelständischen Betrieben direkten Zugang zu globalen Kapitalmärkten eröffnet. Ein Startup präsentierte eine Plattform zur Tokenisierung von Immobilien, über die Kleinanleger Anteile an Gewerbeobjekten erwerben können. Zudem demonstrierte ein Entwicklerteam, wie KI-gestützte Smart Contracts Vertragsprozesse in der Logistik automatisieren, etwa durch Echtzeit-Anpassungen bei Lieferverzögerungen. Innovationen wie diese sind es, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen und Unternehmen echte Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Wenn Sie mehr über Blockchain, Web3 und die Möglichkeiten erfahren wollen, die sich daraus für Sie ergeben, kontaktieren Sie uns und nehmen Sie an unseren interaktiven und praxisorientierten Workshops teil. Wir vermitteln Ihnen das Wissen, die Sicherheit und geben Ihnen die notwendigen Werkzeuge an die Hand, um den Markt erfolgreich mitzugestalten.


 

FAQ: Stablecoins im Mittelstand

  • Warum sind Stablecoins für den Mittelstand interessant? 

    Weil sie Händlern helfen, Zahlungen an Kreditkartenanbieter, Zahlungsabwickler und andere Intermediäre drastisch zu reduzieren. Außerdem werden Zahlungen mit Stablecoins in Echtzeit abgewickelt.
  • Welche Vorteile bieten sie speziell im Handel? 

    Erstens: Kosteneinsparungen. So lassen sich die Transaktionsgebühren im Vergleich zu traditionellen Zahlungsanbietern um bis zu 90 Prozent reduzieren. Zweitens: Kundenbindung. Die Integration in Loyalty-Programme ermöglicht personalisierte Angebote und Cashbacks. Drittens: Datenanalytik.  Transparente Blockchain-Daten erlauben eine präzise Analyse des Kaufverhaltens. Viertens: Micropayments. Darunter versteht man neue Bezahl-Modelle wie Pay-per-Use oder Abonnements für kleine Beträge. Fünftens: Globale Reichweite, denn mithilfe von Stablecoins lassen sich grenzüberschreitende Zahlungen ohne Wechselkursrisiken abwickeln, Loyality Points können in andere Märkte mitgenommen werden.
  • Wie sicher sind Zahlungen mit Stablecoins? 

    Nutzer müssen darauf vertrauen, dass Emittenten, also Unternehmen die Stablecoins ausgeben, ausreichend Reserven halten und transparent agieren. MiCA schafft dafür einen regulatorischen Rahmen mit strengen Anforderungen an Reserven und Risikomanagement.
  • Wie steht es um die Akzeptanz von Stablecoins bei Kunden? 

    Die Akzeptanz steigt mit der Nutzung digitaler Währungen. Millionen Menschen weltweit verwenden bereits Kryptowährungen. Auch Stablecoins gewinnen durch ihre Stabilität und einfache Handhabung zunehmend an Popularität. 

Best Practices Stablecoins im Mittelstand

  • Monerium ist ein deutsches FinTech, das EU-weit aktiv ist. Das Unternehmen gibt den EURe heraus, einen an den Euro gebundenen, MiCA-konformen Stablecoin. Dieser ermöglicht mittelständischen Unternehmen, etwa im E-Commerce oder in der Fertigungsindustrie, grenzüberschreitende Zahlungen mit niedrigeren Gebühren (0,5 bis 1 Prozent im Vergleich zu 5 Prozent bei herkömmlichen Überweisungen) und nahezu sofortiger Abwicklung durchzuführen. Ein mitteständisches deutsches Unternehmen aus der Automobilzulieferindustrie nutzt EURe, um Zahlungen an EU-Lieferanten zu vorzunehmen. Dadurch betragen die Transaktionszeiten statt zwei bis drei Tagen nur noch wenige Minuten.
  • Auch Solaris ist ein FinTech mit Kunden aus dem Mittelstand. Das deutsche Unternehmen hat sich mit FinTechs zusammengeschlossen, um Stablecoins wie USDC für Mittelstandskunden im Einzelhandel und in der Logistik zu integrieren. Ein mittelständischer Einzelhändler nutzt USDC, um internationale Lieferantenzahlungen zu optimieren. Dadurch konnte er seine Kosten im Vergleich zu SWIFT-Überweisungen halbieren.

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