Mergers & Acquisitions sind ohnehin ein schwieriges Unterfangen. Auf internationaler Ebene wird die Herausforderung für M&A-Experts noch komplexer. Was braucht es für den Job? Und – mit Blick auf die deutsch-französischen Beziehungen: Bleibt die Wirtschaft unberührt von der aktuell unterkühlten Beziehung zwischen Scholz und Macron? Darüber sprechen wir im Interview mit Ian Kayanakis, Managing Partner Frankreich und Head of Corporate M&A bei enomyc. Er sagt: "Um den M&A-Job richtig zu machen, sollte man nicht nur auf Zahlen abfahren. Man sollte sich auch für alles andere begeistern!" Warum er das glaubt und auf welche Skills er persönlich setzt, erfahren Sie in unserem aktuellen Interview.
Herr Kayanakis, Sie leiten als Head of Corporate M&A und Managing Partner Frankreich internationale M&A-Transaktionen aus unserem Office in Paris. Ihr Hintergrund ist juristisch, Sie sind ausgebildet im Bereich Unternehmensfinanzierung und haben 20 Jahre Erfahrung in der Durchführung von Unternehmenstransaktionen in verschiedenen Ländern. Was macht die deutsch-französischen Transaktionen für Sie so interessant?
Ob M&A oder Finanzierungen: Diese Transaktionen sind von einem vergleichbaren Ökosystem geprägt. Das macht sie einfach. Zurückzuführen ist dies vor allem auf unsere gemeinsame, sehr wichtige territoriale Basis. Die wirtschaftlichen Einflusszonen sind für beide Länder ähnlich: Es sind die Region Grand-Est, das Elsass, die Mosel, das Saarland, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie die Grenzgebiete zu Belgien, der Schweiz und Luxemburg, die Deutschland und Frankreich miteinander verbinden.
Fusionen und Übernahmen mit deutschen Unternehmen sind also Geschäfte mit unseren Nachbarn. Und das in einem ziemlich harmonisierten Handels- und Rechtssystem. Es beruht auf einer ausgeprägten kontinentaleuropäischen Kultur. Und das obwohl es immer noch kulturelle Unterschiede gibt. Sie machen den Charme des Ganzen aus. Selbst wenn sich diese Unterschiede als komplementär erweisen – was meiner Erfahrung nach im deutsch-französischen Geschäftsleben auch der Fall ist – dann spricht man, wie bei M&A, von positiven Synergien.
Sie sprechen von "positive Synergien": Aktuell, so scheint es, mangelt es politisch an diesen. DER SPIEGEL schrieb kürzlich "Der Kanzler verprellt die europäischen Partner, das Verhältnis zu Frankreich ist rasant abgekühlt". Wie würden Sie die aktuelle Situation beschreiben? Sind die unterkühlten Beziehungen zwischen Scholz und Macron ein Problem für M&A-Geschäfte zwischen Frankreich und Deutschland? Oder bleibt die Wirtschaft aus Ihrer Sicht davon unberührt?
Die deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen sind seit vielen Jahren fest etabliert und in zahlreichen Abkommen verankert. Die wichtigsten sind das Elysee-Abkommen von 1963 und das Aachener Abkommen von 2019. Ich glaube nicht, dass Politiker:innen durch ihre aktuellen Handlungen in diesem besonderen Moment, in dem sie sich auf konjunkturelle Themen konzentrieren – darunter den Ukraine-Krieg, die Corona-Krise und Inflation – einen starken Einfluss auf diese strukturelle und tiefe Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich haben können. Und auch wenn es stimmt, dass der Fahrzeug- und vor allem der Handel mit Flugzeugen bis 2022 nicht wieder das Vorkrisenniveau erreichen wird: Deutschland war 2021, laut Handelsblatt, der größte ausländische Direktinvestor Frankreichs. Und das noch vor den USA.
Sollte der deutsche Bundeskanzler heute beschließen, dass es für das Wohl seines Landes sinnvoll wäre, die Beziehungen zu China wieder zu intensivieren, dann denke ich, werden die Auswirkungen auf die fast 6.000 französischen Unternehmen, die in Deutschland vertreten sind und 400.000 Arbeitsplätze in Deutschland repräsentieren, gering sein. Die deutsch-französische Beziehung ist strukturell und sie sollte fortbestehen. Sie beeinflusst das Leben von Millionen von Menschen in beiden Ländern.
Können Sie einige Beispiele für diese strukturelle Beziehung nennen?
Ja, beispielsweise die Übernahme von Hella durch Faurecia im Jahr 2022. Oder die Übernahme der deutschen Standorte von Bombardier durch Alstom 2021. Oder auch die Ansiedlung der Automotive Cells Company (ACC) in Kaiserslautern – und die Bestätigung von Daimler im September 2021, sich an dem bereits zum "Airbus der Batterien" getauften Konzern zu beteiligen. Auch Investitionen von Merck, BASF, Vorwerk, Hager und Saarstahl, die 2021 in Frankreich getätigt wurden, zeugen von dieser Nachhaltigkeit.
Die Anforderungen an M&A-Experts auf internationalem Parkett sind komplex. Was schätzen Sie persönlich am M&A-Geschäft?
Ich schätze den ganzheitlichen Ansatz. Ob in der M&A- und Strategieabteilung großer Unternehmen, wie ich es jahrelang getan habe, oder bei den Berater:innen, Anwält:innen und Investmentbanken, mit denen ich zusammenarbeite: Bei Fusionen und Übernahmen geht es darum, das Unternehmen als Ganzes in den Blick zu nehmen. Es ist spannend, Aktionär:innen und Führungskräften dabei zu helfen, Investitions- oder Erhaltungsmaßnahmen im Lichte eines strategischen Ziels der Wertschöpfung zu betrachten. Man muss verstehen, was das Unternehmen ausmacht, das diese Transaktion plant. Was es besonders macht, was es einzigartig macht – vor allem für seine Gründer:innen und/oder Investor:innen.
In unserem Vorgespräch sagten Sie: "Um den M&A-Job richtig zu machen, sollte man nicht nur auf Zahlen abfahren. Man sollte sich auch für alles andere begeistern!" Was ist "alles andere" und warum sind Sie dieser Meinung?
Die Finanzanalyse ist zwar wesentlich und oft auch der Ankerpunkt der strategischen Wertüberlegungen. Doch wenn man sich auf sie beschränkt, geht man das Risiko ein, Elemente zu übersehen, die den Wert längerfristig beeinflussen. Dazu gehören Schlüsselpersonen, Kundenverträge, TSA – vor allem IT – oder Compliance. Es ist der ganzheitliche Ansatz, der bei M&A zu einer Synthese der Interessen zwingt – aber auch der Zwänge der Stakeholder des Unternehmens, die ein Investitions- oder Desinvestment-Projekt durchführen. Daher ist es auch notwendig, so wenig voreingenommen wie möglich zu sein.
M&A-Experts sollten nicht nur die finanziellen Grundlagen verstehen, sondern auch – und vor allem – das Tagesgeschäft und die operativen Verpflichtungen. Nur um die wichtigsten zu nennen: die Geschäftspolitik, die rechtlichen und personellen Rahmenbedingungen, die Liquidität, das Sourcing und die IT eines Unternehmens. Dann gilt es, das strategische Projekt unter Berücksichtigung der Interessen und Ziele aller Beteiligten zum Abschluss zu bringen. Dabei muss stets das Budget und der Zeitplan im Auge behalten werden. Nur so lassen sich die gesteckten Ziele erreichen. Ich profitiere von meiner langjährigen Erfahrung auf Investorenseite: Sie gibt mir einen besonderen Einblick, um Transaktionen auch als Berater erfolgreich abzuschließen. Im Jahr 2022 hat enomyc zwei Akquisitionen in Frankreich für einen US-amerikanischen Kunden abgeschlossen. Bei beiden Aufträgen waren wir gerade wegen unseres multidisziplinären Ansatzes sehr erfolgreich.
Bei Ihnen spielt sicher auch der interkulturelle Ansatz eine wichtige Rolle: Sie haben einen fundierten deutsch-französischen Background und kennen die DNA beider Länder gut. Was haben Frankreich und Deutschland aus Ihrer Sicht gemeinsam?
Ich bin kein Experte für internationale Beziehungen, daher kann ich mich nur zu dem äußern, was ich oft praktiziert habe: "Corporate" M&A. In diesem Punkt teilen Deutschland und Frankreich den gleichen, sehr durchdachten Ansatz für Transaktionen. Dieser basiert auf einem Konzept, das auf langfristigen Wertschöpfungsüberlegungen beruht und dem sehr ähnliche Rechts- und Sozialsysteme zugrunde liegen. Sie berücksichtigen auch die Interessengruppen in diesen Transaktionen: Arbeitnehmer:innen, Lieferanten, die Geschäftsordnung oder auch Sozialpartner. Ich glaube, dass die Summe dieser Gemeinsamkeiten zwischen deutschen und französischen Unternehmen weitaus größer ist als die Summe der Unterschiede.
Klingt nach optimalen Bedingungen. Welche Entwicklungen schweben Ihnen für Deutschland und Frankreich vor?
Aus meiner Sicht sollten die deutschen und französischen Unternehmen vor Ort weiterhin an einem gemeinsamen Werk arbeiten, das nicht von der Konjunktur geschwächt werden kann. Sicherlich könnte Bundeskanzler Scholz militärische Mittel aus den USA bevorzugen – schließlich verfügt Deutschland mit der Airbus Group über einen der größten Rüstungskonzerne der Welt. Wenn diese Unternehmen jedoch der Ansicht sind, dass ihr Wachstum, einschließlich des externen Wachstums, jeden Tag in ihren Ökosystemen stattfindet, wie ich glaube, dann werden die zahlreichen laufenden Projekte – insbesondere im Grenzgebiet, so bescheiden sie auch sein mögen – eine Intensivierung der deutsch-französischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit ermöglichen. Langfristig werden sie sicher dazu beitragen, das Modell "Mittelstand", dessen Erfolg unbestritten ist, nach Frankreich zu importieren.
Welche Rolle spielt enomyc dabei?
enomyc versteht sich als wirtschaftlicher Botschafter innerhalb der Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und französischen Unternehmen. Durch das fast 20-jährige Wirken und die deutschlandweite Präsenz kennt enomyc den Mittelstand, den die französischen Unternehmen heute brauchen, sehr gut. Eine Akquisition in Frankreich zu tätigen oder die französische Tochtergesellschaft umzustrukturieren ist einfach, wenn Unternehmen einen Partner an ihrer Seite haben, der sie kennt und sie versteht. Für die Unternehmen ist das Vertrauen in die Kenntnis des Umfelds und des zu akquirierenden Ziels ein Erfolgsgarant. Dagegen aber auch ein echtes Risiko, wenn diese Disziplin nicht beherrscht wird. Bei enomyc decken wir dieses Risiko für deutsche Unternehmen, die nach Frankreich kommen, und für französische Unternehmen, die nach Deutschland gehen, ab.
Vielen Dank für Ihre Insights, Herr Kayanakis.