Die Automobilindustrie befindet sich in einer bedeutenden Transformation: Neue Technologien, Gesellschaft und Gesetz treiben den Wandel voran. Während Abgasnormen durchgesetzt werden und der Automobilmarkt in Deutschland zeitweise einbricht, wandelt sich auch das mobile Nutzungsverhalten der Gesellschaft. Es stellen sich Fragen rund um die Antriebstechnologien der Zukunft, um Elektromobilität, Digitalisierung, autonomes Fahren und KI. Wie beeinflusst das Digitalzeitalter das Denken der Kunden und wie können gerade mittelständische Automobilhändler darauf reagieren? Dr. Daniel Tomic, Partner bei enomyc, hat sich eingehender mit der Thematik befasst.

 

URBANITÄT UND GESELLSCHAFTLICHER WANDEL


Der Stellenwert des Autos nimmt weiter ab. Vor allem bei jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren – den zahlungskräftigen Kunden von morgen – steht es immer seltener für Status, Freiheit und Unabhängigkeit. Das belegen Umfragen und Studien– unter anderem vom Center of Automotive Management(CAM). Zu dieser veränderten gesellschaftlichen Anschauung haben verschiedene Faktoren geführt:

Zum einen die Urbanisierung und Verdichtung der Innenstädte: Sie führt dazu, dass ein Auto für Stadtbewohner immer mehr zur Belastung wird – auch finanziell. Die Unterhaltskosten sind hoch. Es mangelt an Parkraum. Zum anderen ist ein eigener Wagen in der Großstadt auch nicht zwingend notwendig. Der ÖPNV bietet zumindest in den großen Städten Deutschlands eine mittlerweile ausreichend gute Infrastruktur und lässt Nutzer effizient und schnell ihr Ziel erreichen – oftmals sogar schneller als mit einem Auto. Das ist politisch gewollt und auch gut so, denn gerade die Innenstädte haben seit vielen Jahren ein Verkehrsproblem. Ein höheres Aufkommen an PKWs wäre für den Individualverkehr in der Stadt nicht mehr tragbar. Zudem sorgen Car- und mittlerweile auch RollerSharing für Entlastung.

 

KLIMASCHUTZ UND GESETZGEBUNG

Im Februar 2019 zählte der Bundesverband CarSharing über 20.200 angebundene CarSharing-Fahrzeuge in Deutschland – Tendenz steigend. Es heißt, gerade stationsbasierte Modelle würden zum Klimaschutz beitragen. Das ist ein wesentlicher Punkt, an dem sich vor allem junge Nutzer, inzwischen aber auch verstärkt die Gesetzgebung orientiert.

Die Schadstoffbelastung durch Autos in den Innenstädten hat in den letzten Jahren stark zugenommen – nicht nur durch die steigende Verkehrsbelastung: Wie beim Diesel-Skandal bekannt wurde, haben vereinzelte Hersteller bzw. deren Entscheider gesetzliche Vorgaben bei Prüfmethoden zu ihren Gunsten ausgelegt und dabei bewusst Grenzwertüberschreitungen im Realbetrieb in Kauf genommen. Dem wird seitens der Regulierungsbehörden entgegengewirkt – auch unter Androhung von Strafen und Sanktionen.

Einschneidend war der im September 2018 eingeführte neue Prüfzyklus für die Verbrauchs- und Abgasmessung (WLTP). Er gilt seitdem für alle Neuzulassungen. Die Tragweite dieser Veränderung war für die gesamte Automobilbranche und ihre Wertschöpfungskette spürbar. Hersteller kritisierten diese Umstellung. Produkte und Prozesse mussten in relativ kurzer Zeit angepasst werden. Ohne Ausfälle durch Produktionsunterbrechungen war das nicht zu bewältigen.

 

Leidtragende waren hier aber auch die Handelsbetriebe. Vor allem Vertragshändler hatten durch die Lieferengpässe beträchtliche finanzielle Einbußen. Zeitweise war der deutsche Markt durchschnittlich um 30% eingebrochen. Vereinzelte Marken wie Audi und Porsche verbuchten sogar einen Rückgang von knapp 80%.

Auch wenn es sich hier um Einmal-Effekte handelt, die durch vorbereitende Maßnahmen und Unterstützung der Hersteller von den meisten Händlerbetrieben gestemmt werden konnten: Diese eine lediglich regulative Anpassung hat zu einem weitgreifenden Denkanstoß geführt und aufgezeigt, wie empfindlich der Markt und die Kunden auf größere Veränderungen im Umfeld der Automobilindustrie reagieren.

DER WANDEL DES KLASSISCHEN AUTOMOBILVERTRIEBS


Experten sehen diese Veränderungen als einen Vorboten der Disruption in der gesamten Branche. Der Einfluss auf das seit Jahrzehnten etablierte Geschäftsmodell des klassischen Automobilvertriebs mit seinen festgeschriebenen Strukturen, aber auch teilweise komplexen Prozessen, ist groß.Gerade mittelständische, unternehmergeführte Händlergruppen, die oft langjährige, teilweise sogar generationenübergreifende Partnerschaften mit Herstellern führen, verspüren eine Ungewissheit hinsichtlich ihrer Planungsprämissen.

Hersteller fordern von ihren Handelsvertretern bzw. Vertragspartnern hohe und langfristige Investitionen, um dem Markenstandard gerecht zu werden. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerbs-, Kosten- und Margendruck für die Unternehmer ungebrochen weiter zu. Tagtäglich gilt es, die operative Exzellenz zu steigern, Kosten zu senken und Margen zu optimieren. Demnach werden zunehmend größere Veränderungen erforderlich sein: Schließlich gilt es, das gesamte Geschäftsmodell mittel- bis langfristig zu hinterfragen und vor allem weiterzuentwickeln – auch und gerade in digitaler Hinsicht.

LEITFRAGEN UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR HÄNDLER


Für die betreffenden Unternehmer und Entscheider ist es immens wichtig, mit Weitsicht und aus einer Position der Stärke heraus zu agieren. Ein erster Schritt ist die Analyse der eigenen Geschäftsprozesse. Leitfragen können hierbei sein: Wie sieht die Wertschöpfungskette insgesamt aus? Welche Ansprüche stellen die Hersteller? Welche Verträge bestehen mit welchen Herstellern? Was sind die Rahmenbedingungen? Im Moment gilt es, alles Vorhandene systematisch zu hinterfragen.

Gehen Händler hier strukturiert und engagiert vor, nehmen sie eine langfristige Budget-, Investitions- und Organisationsplanung auf einer guten Informations- und Datenbasis vor, dann können sie sukzessive das bestehende Geschäftsmodell an die sich kontinuierlich verändernden Rahmenbedingungen anpassen.

WIE KÖNNEN HÄNDLER DIE CHANCEN DER DIGITALISIERUNG KONKRET NUTZEN?


Zunächst ist zu betonen, dass jede Veränderung auch eine Chance bedeutet, die es zu nutzen gilt!
Dies zu erkennen ist für Automobilhändler der erste Schritt in die richtige Richtung und es lohnt, sich dieser Transformation zu stellen. Wie können mittelständische Händlergruppen durch die Digitalisierung gewinnen?

Fakt ist, während der digitale Wandel voranschreitet, hat sich eine Maxime nicht verändert: Der Kunde ist König. „Customer Centricity“ lautet also das Motto. Gerade Kunden, für die das Automobil unabhängig von Urbanisierung oder sonstigen Veränderungen auch weiterhin einen hohen Stellenwert hat, werden in Zukunft einen hervorragenden Service als selbstverständlich ansehen – ein „Rundum-Sorglos-Paket“ ist gefordert. Hier liegt der Vorteil von Händlern gegenüber den Herstellern: Sie haben die persönliche Nähe zum Kunden und haben es leichter, ihre Prozesse an deren Ansprüche anzupassen. Was könnte ein Ansatz sein?

 

MIT EINEM GESCHÄRFTEN KUNDENFOKUS PUNKTEN

Oft sind Probleme bei Automobilhändlern – völlig unabhängig von der Größe der Unternehmen – hausgemacht. So versperren sich beispielsweise viele Händler den neuen Möglichkeiten, die die Digitalisierung im Sales- sowie auch im Aftersales-Bereich bringt – vor allem im Informationsmanagement. Es existieren beispielsweise veraltete – im schlimmsten Fall sogar keine Datenbanken mit wichtigen Kundeninformationen, Wartungshistorien und mehr. Stattdessen werden erschreckend oft manuelle Listen durch einzelne Mitarbeiter geführt. Nehmen wir an, ein Automobilhändler beschäftigt seit vielen Jahren Verkäufer und Mechaniker, die persönlichen Kundenkontakt haben und Kundendaten auf diese Weise pflegen. Verlieren Händler diese Mitarbeiter, gehen nicht nur kostbaren Daten verloren: Auch gute Geschäftsbeziehungen können in Mitleidenschaft gezogen werden.

CRM FÜR GUTE KUNDENBEZIEHUNGEN UND BESSERE KUNDENBINDUNG


Erfolgreiche Unternehmen – auch kleine Händler – setzen dagegen auf einen geschärften Kundenfokus. Dazu gehört unter anderem, eine moderne und vernetzte Datenbank zu implementieren und sie zu pflegen. Moderne CRM-Systeme sind eine Grundvoraussetzung, um schnell auf Informationen zurückzugreifen und den Kunden zeitnah und gezielt zu beraten. Diese technischen Möglichkeiten gilt es aber auch, richtig zu nutzen und mit durchdachten Prozessen zu kombinieren. Selbstverständlich sollten Kunden damit regelmäßig mit Informationen zu Events, Produktneuheiten und Services informiert werden. Darüber hinaus sollten diese Möglichkeiten aber auch genutzt werden, um an Wartungstermine zu erinnern, die gleichzeitig die eigene Kapazitätsauslastung optimieren.

Ähnliches gilt für den Sales-Bereich: Wenn ein Verkäufer genau weiß, wann der Leasing-Vertrag ausläuft, braucht er nur zum richtigen Zeitpunkt ein gutes Angebot versenden. Das sind nur einige, eigentlich selbstverständliche Maßnahmen, die für engere Kundenbeziehungen und gestärkte Kundenbindung sorgen können. Durch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung sind aber gerade bei internen Prozessen Effizienzen zu heben, die auch hinsichtlich der Kostenstrukturen ganz neue Optimierungspotenziale eröffnen.

enomyc hat vor wenigen Wochen zum dritten Jahr in Folge, den Titel „Top Consultant“ erhalten. Auch wir haben neue Wege beschritten und uns breiter aufgestellt. Das Geschäftsfeld „Digitale Transformation“ bereichert neben „Corporate Performance“ unser bewährtes Leistungsspektrum. Nur so und indem auch wir Veränderungen und Optimierungen gegenüber offen sind, können wir auch unsere Kunden in ihre profitable Zukunft begleiten.

Welche Thematik beschäftigt Sie aktuell? Nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf. Wir freuen uns auf Sie! 

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