Unternehmensnachfolge: Die drei häufigsten Fehler und wie sie sich vermeiden lassen
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Mit seinen „Hidden Champions“ gilt der deutsche Mittelstand für Investoren aus aller Welt als attraktives Investment. Für Inhaber und Gründer, die ihre Nachfolge über einen Verkauf regeln möchten, hält der Verkaufsprozess jedoch einige Fallen und Stolpersteine bereit. enomyc-Autor und M&A-Experte Andrej Kirschke erklärt, wie sich der Wert des Unternehmens im Vorfeld steigern lässt und was man tun kann, um ein Scheitern der Verhandlungen zu vermeiden.

Nach einer Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) suchen 190.000 Unternehmen in Deutschland bis zum Jahr 2026 einen Nachfolger. Auch wenn sich die Mehrheit der Unternehmer eine familieninterne Weitergabe wünscht, kommen in der Praxis häufiger andere Regelungen zum Tragen. Eine Möglichkeit ist die Veräußerung des Unternehmens an Mitarbeiter oder Mitglieder des Managements, sofern diese die notwendige Finanzierung realisieren können. Auch die Überführung der Firma in eine Stiftung ist eine Option, die ihre Vor- und Nachteile hat.

Die bei weitem am häufigsten angepeilte Nachfolgeoption ist ein Verkauf des Unternehmens an einen strategischen Investor wie Wettbewerber, Kunden oder Lieferanten oder auch an einen Finanzinvestor.

Einige Unternehmer möchten den Verkaufsprozess in Eigenregie durchführen – und erzielen damit mehr oder weniger zufriedenstellende Ergebnisse. So entspricht der Verkaufserlös bei selbstständig durchgeführten Unternehmensverkäufen am Ende häufig nicht den ursprünglichen Vorstellungen. Oder das Lebenswerk des Gründers gerät insofern in Gefahr, als Arbeitsplätze und Produktionsstandorte nicht im gewünschten Umfang erhalten bleiben. So oder so kein gutes Ergebnis.

Die häufigsten Fehler beim Unternehmensverkauf in Eigenregie

Woran liegt es, dass Wunsch und Wirklichkeit beim Unternehmensverkauf oft so dramatisch auseinanderklaffen?

Einer der wichtigsten Gründe ist die Eingrenzung der potenziellen Käufer auf wenige, oft nur ein bis zwei persönlich bekannte Firmen. In der Praxis läuft es oft wie folgt: Ein Unternehmer wird proaktiv kontaktiert, weil man in der Branche raunt, dass Inhaber xy seinen Betrieb verkaufen will. Was darauf folgt, ist ein in den meisten Fällen eher unstrukturierter bilateraler Prozess, der die für ein optimales Ergebnis erforderliche breite Interessentenauswahl vermissen lässt und deswegen zu suboptimalen Ergebnissen führt. Darüber hinaus ist nach unserer Erfahrung der schlussendliche Erwerber des Unternehmens nicht unbedingt der bereits bekannte oder von der Unternehmensstruktur her naheliegendste, sondern nicht selten ein Kandidat, an der anfangs nicht weit oben auf der Long List potenzieller Käufer stand.

Die eingeschränkte Interessentenauswahl hat noch einen zweiten großen Nachteil: Sie reduziert den Wettbewerbsdruck. Denn wenn sich Kaufinteressenten – ebenso wie das zu veräußernde Unternehmen – im Rahmen des Verkaufsprozesses nicht strukturiert öffnen und von ihrer besten Seite präsentieren, entsteht kein Wettbewerbsdruck. Die Folge: Keiner der Bieter geht an seine finanziellen Grenzen, der Verkaufserlös bleibt womöglich weit unter dem eigentlichen Potenzial.

Ein weiterer häufiger Stolperstein: Dem Käufer fehlt die notwendige Bonität für eine Finanzierung. Nicht umsonst bildet die Bonitätsprüfung der Bieter deswegen eine weitere Säule im Rahmen eines strukturierten M&A-Prozesses. Sie schützt vor unliebsamen Überraschungen.

Schließlich kann auch die menschlich nachvollziehbare, bei einer geplanten Veräußerung aber wenig hilfreiche emotionale Bindung des Gründers oder der Gründerfamilie an das eigene Unternehmen zu Problemen führen. Etwa, weil sich der M&A-Prozess über Jahre hinzieht und das Unternehmen im Markt schnell den (oft nicht verdienten) Ruf eines „Ladenhüters“ bekommt. Auch in diesen Fällen ist ein Verkaufserlös weit unter Wert zu erwarten.

Ein strukturierter M&A-Prozesses steigert den Wert des Unternehmens

Immer mehr Firmengründer und -inhaber entscheiden sich aus den genannten Gründen für einen strukturierten M&A-Prozess mit Unterstützung durch einen qualifizierten externen Partner. Dieser sollte über ein großes und belastbares Netzwerk in den entsprechenden Branchen verfügen, um möglichst viele potenzielle Käufer ansprechen zu können. Wird der Berater rechtzeitig, d.h. möglichst ein bis zwei Jahre vor dem geplanten Verkauf, hinzugezogen, kann dieser über zahlreiche Maßnahmen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Unternehmen nicht nur „ready for market“ zu machen, sondern auch den Verkaufserlös deutlich zu steigern.

Zu den wertsteigernden Maßnahmen, die sich im Vorfeld durchführen lassen, zählt beispielsweise die vertriebliche Neuausrichtung auf Subskriptionsmodelle. Solche als „X-as-a-Service“-Modelle sind aus dem Software-Bereich („Software-as-a-Service“/SaaS) bekannt, aber auch in vielen anderen Branchen längst Usus. Ihr Vorteil: Im Gegensatz zum klassischen Lizenzmodell sorgen Subskriptionsmodelle für regelmäßig wiederkehrende Umsätze. Diese werden von Investoren höher bewertet und bei der Unternehmensbewertung mit entsprechenden Multiples belohnt. Ein guter M&A-Berater wird also prüfen, ob die Vertriebsmannschaft auf ein entsprechendes Modell ausgerichtet werden kann.

Auch ein leistungsfähiges Reportingsystem zählt zu den Voraussetzungen für einen erfolgreichen Unternehmensverkauf. Sind die erforderlichen Daten nicht verfügbar, drohen Verzögerungen im Verkaufsprozess, die die gesamte Transaktionsdynamik negativ beeinflussen können. In diesem Fall wird der M&A-Berater die Einführung eines neuen Systems empfehlen.

Ein weiterer Hebel zur Wertmaximierung ist die Etablierung einer zweiten Managementebene, insbesondere in familien- und inhabergeführten Unternehmen. Finanz- oder strategischen Investoren, die eine Übernahme planen, fehlen oft die Managementkapazitäten, um das Unternehmen nach dem operativen Ausscheiden des bisherigen Inhabers weiterzuführen. Eine frühzeitig etablierte Führungsmannschaft, die die Geschäfte nach dem Verkauf übernehmen kann, macht das Unternehmen für den Investor deutlich attraktiver.

Transparenz verstärkt den Wettbewerbsdruck

Während des eigentlichen Transaktionsprozesses sorgen neben einer straffen Prozessführung und klaren Deadlines insbesondere die erforderlichen Dokumente – darunter Informationsmemorandum, Teaser und Prozessbrief – für ein hohes Maß an Transparenz und steigern die von allen potenziellen Bietern wahrgenommene Wettbewerbsintensität. In der umfassenden Darstellung des Unternehmens im Informationsmemorandum werden die Stärken und Potenziale des zu verkaufenden Unternehmens ins rechte Licht gerückt, Finanzzahlen können um Sonder- und Einmaleffekte bereinigt werden. All diese Maßnahmen veranlassen viele Bieter dazu, möglichst hochpreisig an die Transaktion heranzugehen, um den Prozess in ihrem Sinne zu entscheiden.

Auch ein glaubhafter und idealerweise gebenchmarkter Businessplan für die nächsten drei bis fünf Jahre liefert den Investoren eine gute Grundlage, die zukünftigen Cashflows des Unternehmens und somit seinen Wert einzuschätzen. Darüber hinaus kann ein M&A-Berater das schrittweise Ausscheiden des bisherigen Inhabers durch die zukünftige Veräußerung zusätzlicher Unternehmensanteile Schritt für Schritt (z.B. durch Put-Call-Options-Modelle) nach der Ersttransaktion begleiten und sicherstellen, dass entsprechende Einfluss- und Vetorechte bis zuletzt gewahrt bleiben.

Nachfolgeproblematik im deutschen Mittelstand treibt das M&A-Geschehen

Auch beim Unternehmensverkauf steckt der Teufel häufig im Detail. Einige der häufigsten Stolpersteine wurden bereits angesprochen, andere treten meist früher oder später im Verlauf des Verkaufsprozesses zutage, der bis zum Vertragsvollzug sechs bis neun Monate, manchmal auch länger dauern kann. Unternehmer sollten den Abschied von ihrem Lebenswerk aus diesem Grund nicht ohne einen erfahrenen, spezialisierten M&A-Berater an ihrer Seite angehen – nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch, um die eigene Firma künftig in guten Händen zu wissen.

Andrej Kirschke verfügt über mehr als 26 Jahre Erfahrung im Bereich M&A und Investmentbanking. Er begann seine Laufbahn im Jahr 1996 bei der Investmentbank Rothschild in London, wo er große, internationale M&A-Transaktionen und Börsengänge beraten hat. In den letzten ca. 20 Jahren lag sein Fokus im Wesentlichen auf M&A-Kauf- und Verkaufstransaktionen und Kapitalbeschaffungsmaßnahmen im deutschen Mittelstand, die er im Rahmen seiner Tätigkeit für internationale Investmentbanken und M&A-Beratungshäuser in Frankfurt und Berlin begleitet hat.

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