Während in einer Stadt wie Hamburg 600.000 Quadratmeter Bürofläche leer stehen, kommen auf 1.000 Wohnungsgesuche nur 29 Angebote, berichtete der NDR im April 2024. Warum werden leerstehende Flächen nicht einfach zu Wohnraum umgewandelt?, mag man direkt fragen. “Umnutzung” lautet das viel genannte Stichwort, “Bauen im Bestand” die Devise. Auch sinkende Emissionen, weniger graue Energie, sind das Ziel. Aber aus Büro- und Gewerbeflächen Wohnungen bauen: Geht das? Welche Beschaffenheit müssen Gebäude dafür mitbringen, welche Regularien erfüllen? Wo die Wohnungsbau- und Büromärkte stehen, welche Trends bleiben werden und was der Branche schlaflose Nächte bereitet: Darüber spricht Matias Otto, Architekt, Projektentwickler, Partner und Head of Real Estate bei enomyc.
Herr Otto, Sie kennen die Immobilienbranche seit mehr als 25 Jahren, sind Architekt und haben, bevor Sie ins Consulting wechselten, lange als Projektentwickler gearbeitet. Welche Themen beschäftigen Sie aktuell rund um die deutsche Immobilienwirtschaft?
Mich beschäftigt die Gesamtsituation, die Gleichzeitigkeit so vieler unterschiedlicher Entwicklungsstränge, die teilweise auch in verschiedene Richtungen laufen. Das habe ich so noch nie erlebt. Die Auswirkungen der Zinswende tun ein Übriges, direkt und indirekt. Die Veränderungen sind teils struktureller Natur. Allein Homeoffice und mobiles Arbeiten haben weitreichende Effekte.
Was ist daran strukturell?
Dass uns ein gewisser Büroleerstand für absehbare Zeit begleiten wird. Für viele Institute und Analysten ist dieser zunächst ein Indikator für den Status quo konjunktureller Entwicklungen – sprich: Brummt die Wirtschaft, werden mehr Büroflächen gebraucht – und umgekehrt. Das ist nur ein Aspekt. Der stimmt gewissermaßen auch weiterhin. Homeoffice und mobiles Arbeiten werden jedoch in einem gewissen Ausmaß bleiben, was wiederum bedeutet: Auch ein daraus resultierender weniger konjunkturabhängiger Leerstand wird bleiben – praktisch als “Bodensatz” im ökonomischen oder funktionalen Sinne nicht anpassungsfähiger Objekte. Im Büromarkt gibt es dazu sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen. Aber davon abgesehen: Es ist generell eine sehr spannende Zeit für die Immobilienbranche. Und die ist leider nicht nur durch positive Trends geprägt.
Welche Veränderungen bestimmen die Lage im Wohnungsbau und Büromarkt noch?
Beispielsweise die Bau- und Finanzierungskosten: Sie sind – insbesondere im Vergleich zu früheren Jahren – heftig angestiegen. Seither hat sich der Markt noch nicht wieder auf ein in sich funktionierendes Niveau begeben. Die regulatorischen Anforderungen haben zugenommen: Sie beeinflussen insbesondere die Finanzierung und den Bereich Planung und Bau sehr stark. Auch der Fachkräftemangel ist ein großes Thema auf dem Bau. Das alles führt zudem zu einer schwachen – andere würden sagen: zu einer disruptiven – Marktentwicklung. Die Anforderungen aus ESG und Digitalisierung sind da noch gar nicht berücksichtigt. Da befinden wir uns im Moment. Und überstanden ist das Ganze aus meiner Sicht noch nicht.
Gibt es bei allen Entwicklungen eine Sache, die Sie mit großer Spannung mitverfolgen?
Ja, ich finde besonders spannend, wie die unterschiedlichen Marktteilnehmer auf die Gleichzeitigkeit vielfältiger Entwicklungen reagieren. Diejenigen, die sich das “leisten” können, agieren nach dem Motto "Augen zu und durch". Andere handeln vorsichtig, eher konservativ. Sie machen lieber gar keine Geschäfte statt solche, die ihnen zu risikobehaftet sind bzw. Geschäfte, die die hohen Risiken – gerade in der Projektentwicklung – nicht adäquat abdecken. Wiederum andere nutzen Opportunitäten. Die Zusammenhänge und Abhängigkeiten sind komplex. Einzelbetrachtungen von beispielsweise Regulatorik, Baupreisen, dem Investment-, Finanzierungs- oder Mietmarkt führen nur bedingt weiter. Es ist eine Gesamtentwicklung. Sie braucht auch eine Gesamtbetrachtung.
Sticht dennoch eine Thematik aus diesem Gesamtkomplex besonders für Sie heraus?
Ja, und zwar welche ökonomischen Konsequenzen die ESG-Regulatorik für die Bestandshalter hat. Denn der Blick zurück zeigt: Obwohl die Immobilienbranche nicht im Ruf steht, besonders innovativ zu sein, war sie dem später allgemein einsetzenden ESG-Trend bei Teilaspekten voraus. So sind Gebäudezertifizierungen und deren Vorläufer schon überraschend lange Themen der Branche. Nachhaltigkeit war zunächst noch ausschließlich im professionellen Investmentmarkt ein Thema – vorrangig bei Käufern und Verkäufern, Institutionen, Family Offices und anderen größeren Marktteilnehmern. Das hat sich aber seit einigen Jahren auch im Mietermarkt verfestigt. Gerade im Bürobereich entscheiden nicht mehr nur Verkäufer und Käufer über die ESG-Standards einer Immobilie oder eines Portfolios: Letztlich tun dies auch die Mieter durch ihre entsprechende Nachfrage.
Wie genau?
Sie äußern dahingehend Wünsche für die Mietverträge. Und die Mieter sind wiederum nicht nur große Corporates oder behördenähnliche Marktteilnehmer: Es sind auch kleinere Büros oder Firmen, denen Nachhaltigkeit wichtig ist.
Welchen Effekt hat das?
Daraus resultieren erst einmal neue Fragen an die Vermietbarkeit von Bestandsgebäuden. So wurden bei – im Übrigen soliden – Immobilien noch vor wenigen Jahren längere Restnutzungsdauern unterstellt. Jetzt aber haben wir es dort plötzlich mit einer teils "künstlichen Überalterung" und kürzeren Restnutzungsdauern zu tun.
Gibt es deswegen tendenziell größere Bestrebungen im Rahmen von "Manage to Green"?
Auf Seiten der Eigentümer und Asset Manager ist das Thema allgegenwärtig. Hier setzt man sich oft mit Immobilienbestand auseinander, der den ESG-Standards nicht vollumfänglich genügt. Da ist die Überlegung: Welche Erträge will man eigentlich aus einer solchen Immobilie erwirtschaften? Und was muss man dafür tun? Auch deswegen sind die Investitionen in Sanierungen heute deutlich höher als der Standard es noch vor wenigen Jahren verlangt hat. Die ESG-Auflagen erfordern das auch. Teils geht es heute bei soliden Objekten aus den späten 1980er-, frühen 1990er-Jahren ans Eingemachte: an die Fassade beispielsweise oder an die technische Grundausstattung. Damit wächst das Finanzierungsvolumen, ohne dass diesem unmittelbare Mehrerträge gegenüber stehen. Und es wächst auch der Beratungsbedarf.
Beratungsbedarf in welche Richtung?
In vielen Fällen, die enomyc in den letzten Jahren begleitet hat, entschied man sich für eine Repositionierung über den Weg eines Refurbishment. Bei einer Repositionierung wird ein Objekt neu im Markt dargestellt und positioniert. Das sollte natürlich inhaltlich unterfüttert sein. Bei einem Refurbishment werden auch tiefgreifende Änderungen am Objekt vorgenommen – teils bis in die Gebäudesubstanz. Als Projektentwickler habe ich beispielsweise ein Vorhaben begleitet, bei dem aus dem Gebäude etwas völlig Neues entstand. Nur seine, in Teilen denkmalgeschützte, Fassade und die Grundstruktur blieben bestehen. Zwar ein beeindruckendes Ergebnis, jedoch war dieser Ausnahmefall möglicherweise sogar mit höherem Invest verbunden als ein Neubau.
Das “Bauen im Bestand” gilt ja als zukunftsweisend. Politisch wird auch oft die Notwendigkeit von Umbau und Umnutzung vorhandener Objekte betont – nicht nur, um graue Energie einzusparen und Klimaziele zu erreichen, sondern eben auch, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.
Absolut. In den attraktiven Metropolen gibt es einen unheimlichen und nicht befriedigten Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Und der Nachfrageüberhang wird immer stärker. Die Baugenehmigungen, die als Frühindikator für die Erstellung von Wohnraum gelten, gehen seit zwei Jahren mit zweistelligen Prozentwerten zurück. Der Koalitionsvertrag versprach zwar den Bau von jährlich 400.000 neuen bezahlbaren, klimaneutralen Wohnungen, was meiner Meinung nach bereits bei Unterzeichnung Makulatur war. Realisiert werden konnte das bei Weitem nicht. Fairerweise: Die Gründe sind nicht ausschließlich politische.
Dann liegt die Frage auf der Hand: Kann leerstehender Büroraum nicht einfach in Wohnraum umgewandelt werden? In Hamburg sind aktuell 600.000 Quadratmeter Bürofläche ungenutzt. BNP Paribas berichtete kürzlich: Allein in Q2 standen 7,1 Mio. Quadratmeter Fläche in den Bürohochburgen Deutschlands leer.
Die Frage ist legitim und ich kann jeden verstehen, der sie stellt. Auch die Diskussion darüber ist richtig und begrüßenswert. Trotzdem ist die Antwort leider: Nein, so einfach ist es nicht. Es gibt mannigfaltige Gründe, die dagegen sprechen.
Eine aktuelle Studie des ifo Instituts und Colliers besagt: Rund 30 Prozent der leerstehenden Büroflächen in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf seien aber technisch und baurechtlich “in Wohnraum umwandelbar“.
Die Zahl aus der Studie ist bemerkenswert. Sie deckt sich aber nicht mit unseren Beobachtungen – weder des Marktes noch unserer konkreten Mandate. Wenn es praktisch wird, beispielsweise in einem Due Diligence-Prozess, bei dem es unvermeidbar in die Details und Machbarkeiten einer möglichen Umnutzung geht, dann tauchen oft Themen auf, die eine Umwandlung schwierig bis sogar unmöglich machen. Eine einfache Umwandlung ist aus meiner Erfahrung leider nur im Ausnahmefall möglich.
Welche Faktoren machen denn Bestandsgebäude für eine Umwandlung attraktiv – für die Eigentümer, die Stadt, aber auch die zukünftigen Bewohner?
Hier gibt es sehr verschiedene Themen und Ebenen, die man genauer betrachten sollte. Ein übergeordneter Aspekt ist sicher die ökonomische Attraktivität – für die Eigentümer, die Initiatoren, die Finanzierer: Wie hoch wird der voraussichtliche Invest in den Umbau sein? Findet sich jemand, der den Aufwand trägt und finanziert? Wie hoch wird der Ertrag sein? Denn immerhin erzielen Eigentümer mit der Vermietung von Büroflächen erst einmal und per se deutlich höhere Einnahmen als mit der Vermietung von Wohnraum. Als nächstes kommen Lage und stadtplanerische Aspekte: Hat das Objekt eine attraktive Makro- und Mikrolage? Wie ist die Erschließung? Was ist von dort aus erreichbar? Gibt es Nahverkehr, gute Anbindungen – je nach Objektgröße: Nahversorger und Kitas? Sind die Nachbarschaften attraktiv und wollen Menschen dort leben? Denn es nützt ja nichts, wenn das Objekt an sich zwar attraktiv ist, es aber in einem Büroviertel steht, das abends ausstirbt oder schlicht abweisend wirkt. Und dann geht es auch um die unmittelbare Objektattraktivität: Ist das umgebaute Objekt gelungen? Hat es Charakter? Können sich Menschen dort wohlfühlen? Welche Sprache spricht die Fassade und was ist das Statement an die städtebauliche Umgebung?
Welche technischen und baurechtlichen Maßnahmen müssen denn mindestens passen, bevor Immobilien umgewandelt werden können? Welche Voraussetzungen und Eigenschaften muss ein umwandelbares Bestandsgebäude mitbringen?
Hier wird es kleinmaßstäblich, diese Details entscheiden aber über Wohl und Wehe der Ermöglichung einer Umwandlung. Es beginnt mit dem Bauplanungsrecht – ein sehr dickes Brett, das, vereinfacht gesagt, Art und Maß der baulichen Nutzung regelt: Darf man überhaupt bauen oder umwandeln? Und wenn ja: In welcher Größenordnung? Hinzu kommt das Bauordnungsrecht: Wie muss und darf etwas gebaut oder umgewandelt werden? Um nur einige Stichworte zu nennen: Wie steht es um Entfluchtung, Vertikalschächte, Brandschutz, Statik beim Umbau, technische Gebäudeausrüstung und Versorgung? Wie um Lärm-, Schall- und Wärmedämmung? Wie wird das Objekt belichtet? Wie funktioniert in diesem Zusammenhang die Bestandsfassade? Können Grundrisse untergebracht werden, die planerisch brauchbare Wohnungszusammenhänge schaffen? Sind die richtigen Zimmertypen an der richtigen Seite des Gebäudes? Es ist ein sehr umfangreicher Katalog. Auch Stellplatznachweise sind ein Thema. Im Grunde stellt man beim Umbau all die Fragen, die Architekten beim Entwerfen eines Wohngebäudes stellen – nur eben auf der Grundlage dessen, was bereits vorhanden ist.
Das Baurecht gestaltet sich teils sehr komplex und kann Bauvorhaben erschweren. Es gibt deswegen politische Bemühungen, beispielsweise im Stadtteil Hamburg-Altona: Die CDU hat beim Senat ein Pilotprojekt beantragt. Es soll geprüft werden, wie mit vereinfachten Standards eine erleichterte Umnutzung von Büroraum in Wohnraum stattfinden kann. Wie sehen Sie das: Ist es realistisch, dass in der Bauwirtschaft Regulatorik abgebaut wird?
Zunächst finde ich jeden Ansatz dahingehend und auch jede Initiative – ob auf kommunaler, Länder- oder Bundesebene – sehr begrüßenswert. Auch das Bauministerium versucht seit Längerem, Vereinfachungen zu erreichen. Die Idee ist Jahrzehnte alt, die Idee ist prima. Sie wird bei jeder Verbandstagung von Immobilien- und ähnlichen Verbänden hervorgebracht. Dass sich etwas ändern muss, sagt auch das Bauministerium selbst.
Aber?
Aber nach meiner Wahrnehmung sind die messbaren Erfolge in dieser Richtung eher marginal bis symbolischer Natur. Es gibt das Baugesetzbuch, was ein Bundesgesetz ist. Dann gibt es eine übergeordnete Baunutzungsverordnung und zusätzlich, und für mich unverständlicherweise, länderspezifische Landesbauordnungen. Zwar gibt es auch eine Musterbauordnung, die aber aus meiner Sicht eine wohlgemeinte Krücke ist und nicht wirklich greift. Dann gibt es noch unzählige sonstige Vorschriften, Richtlinien und Gesetze. All das kann man nicht mal einfach so auf kommunaler Verwaltungsebene aushebeln. Natürlich gilt das Instrument des Bebauungsplans, das bei seiner Erstellung in gewissem Maße Gestaltungsfreiheiten erlaubt – und gerade beim Erstellen neuer Bebauungspläne unterscheiden sich die Kommunen: Einige erlauben mehr Flexibilität, womit sie auch gut beraten sind. Aber als Architekt habe ich früher viel mit Bauverwaltungen zusammengearbeitet und weiß daher: Sie walten in sehr engen Korsetts. Kommunen riskieren schnell Klagen, wenn Details nicht erfüllt werden.
Gibt es vereinzelt Pilotprojekte, die auch Mut machen?
Ja, der Gebäudetyp E macht ein wenig Mut. Diese Initiative hat auch gute Chancen, in Bundesrecht umgesetzt zu werden. Gestartet wurde das Pilotprojekt von der Bayerischen Architektenkammer mit dem Ziel, einfacher und reduziert, aber dennoch nachhaltig und qualitätsorientiert zu bauen. Es soll kostengünstiger und mit den üblichen Sicherheitsstandards gebaut werden können, ohne die höchsten Anforderungen und Ansprüche an Komfortfragen zu erfüllen. Das E steht für einfach und experimentell. Ein guter Ansatz, der in die richtige Richtung weist. Manchmal gibt es aber auch produktbezogene Workarounds: Sie erfüllen Auflagen, die es zurecht gibt, umgehen aber Restriktionen auf kluge Weise.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ja, eines aus dem Bereich Lärmschutz: Ich habe vor Jahren als Entwickler an einem Projekt gearbeitet, bei dem das "Hafencity-Fenster" eingesetzt wurde. Die technischen Eigenschaften bzw. die Einbaukonstruktion der Fenster erlaubten, dass das ursprüngliche städtebauliche Konzept samt gewünschter Wohnnutzung unberührt bleiben konnte. Denn selbst bei teilgeöffnetem Fenster wurden die Auflagen für Lärmschutz gewahrt.
Sie sind nach 15 Jahren Projektentwicklung auf Beraterseite gewechselt, seit 2021 sind Sie Head of Real Estate bei enomyc. Welche Projekte bringen Ihnen heute besonders Spaß?
Unabhängig vom Projekt oder Objekt: Besonders befriedigend sind die Mandate, bei denen unsere Beratung dazu beiträgt, dass Vorhaben aus dem Stocken in die Weiterentwicklung und Finalisierung gelangen. Persönlich arbeite ich auch sehr gern mit Schnittstellen zum Bauprojektmanagement. Ganz allgemein: Das Analytische bildet sicherlich den wichtigsten Part – mir bringt es aber auch sehr viel Spaß, Hands-on zu arbeiten, zwischendurch Baustellenluft zu atmen oder mit Planern fachlich zu diskutieren.
Welches Skills-Set bedienen Sie mit dem Real Estate-Team von enomyc?
Wir beraten generell rund um die Immobilie, bei anstehenden Restrukturierungen – ob auf Unternehmens- oder SPV-Ebene. Häufig in der Projektentwicklung und im Bauträgergeschäft, wenn es an der einen oder anderen Stelle stockt. Wenn beispielsweise Finanzierungsentscheidungen anstehen, die Frage nach dem Cost To Complete gestellt wird, frisches Geld in das Unternehmen oder in die Entwicklung gegeben werden soll oder nicht. Wir beraten auch im Transaktionsbereich von Immobilien – sowohl als Asset- als auch als Share Deal oder in Sale & Lease Back-Konstruktionen, wenn Eigentümer anstreben, Mieter ihrer Immobilie zu werden und diese liquiditätswirksam zu veräußern. Unser Portfolio reicht bis zur Begleitung von Baumaßnahmen und zum Bauprojektmanagement. Deswegen gehört aus meiner Sicht auch unbedingt zum Skills-Set eines Consulting-Teams im Real Estate: Es sollte viel von der Immobilie selbst verstehen und von ihrer Substanz – angefangen von der Planung bis hin zur Fertigstellung, immobilienwirtschaftlich und technisch.
Sie begleiten aktuell ein Projekt zur Umnutzung in Frankfurt-Niederrad: Ein ehemaliges Bürohaus wird zu einem Wohnhaus mit 330 Micro-Apartments umgebaut.
Richtig, bei diesem Projekt bedienen wir ein sehr umfangreiches Leistungsbild – von der Planung über den Umbau selbst bis zur Vermietung und Transaktion. Das Bürohaus erfüllt hier tatsächlich die Parameter, um daraus Micro-Apartments zu schneiden. Zum Hintergrund: Frankfurt-Niederrad war in der Vergangenheit eine reine Bürostadt. Wohnen war dort im Grunde nicht vorgesehen. Das hat sich in den letzten Jahren mit dem Vorhaben "Lyoner Quartier" verändert und Umnutzungen ermöglicht. Freiräume wurden mit Wohngebäuden nachverdichtet. Einzelne Attraktivitätsfaktoren, unter anderem die Anbindung, sind gegeben. Um weitere, beispielsweise die Ansiedlung von Nahversorgern und Kitas, hat sich die Stadt erfolgreich bemüht.
Stichwort Micro Living: Welche Trends sehen Sie noch in der Wohnwirtschaft und welche Themen beschäftigen den Büromarkt?
Im Büromarkt wird der Megatrend “Mobiles Arbeiten” bleiben und das Mietgeschäft weiterhin beeinflussen. Leerstände, auch versteckte in nicht mehr wettbewerbsfähigen Objekten, werden zunehmen. Corporates, die wünschen, dass ihre Mitarbeiter mehr im Office arbeiten, werden dem Anspruch nach attraktiveren Büros nachkommen wollen. Alle, die für ihr eigenes Geschäft zu dieser Erkenntnis gelangen, werden langfristig in Lage, Flächengrößen und Ausgestaltung investieren müssen. Mobiles Arbeiten wird auch Auswirkungen auf das Grundriss-Layout von Büroimmobilien haben – heißt: Es wird bei Neuplanungen weniger Zwei- oder Dreiachser-Konzepte geben, bei denen Büro an Büro gereiht wird. Dagegen wird es mehr Shared Spaces geben: Büroflächen, die flexibel genutzt werden. Was die Wohnwirtschaft in Metropolen betrifft: Ich denke Micro- und gewerbliches Wohnen werden zunehmen – letzteres beispielsweise in Form von Serviced Apartments oder auch Boarding Houses. Übergeordnet werden uns sowohl im Büromarkt als auch in der Wohnwirtschaft die Themen ESG und Nachhaltigkeit weiterhin sehr stark beschäftigen.
Gibt es Immobilienprojekte in Hamburg oder der Welt, die Sie besonders beeindruckend finden?
Zahlreiche: Über die ganze Stadt Hamburg gesehen ist vielerorts der hohe Anspruch an Städtebau und Architektur zu sehen. Es gibt so vieles zu entdecken! Spontan fällt mir ein Projekt hier in der Nachbarschaft zu unserem eigenen Hamburger Büro ein. Es stammt aus der Sanierung und dem Refurbishment von Bestandsimmobilien im Bürobereich: ein denkmalgeschützter Büro-Komplex, ehemals das Hamburg-Süd-Gebäude von 1964. Die Fassaden wurden komplett ausgetauscht und dadurch die Energie- und Transmissionswerte auf den neuesten Stand gebracht. Das Hochhaus wurde sogar um ein Geschoss erhöht, um den ursprünglichen Proportionen wieder näher zu kommen. Diese mussten durch die neuen Fassaden verändert werden. Aus meiner Sicht ist man mit dem Bestand beeindruckend gut umgegangen. Nutzbarkeit und Wert der Immobilie wurden enorm gesteigert. Und trotz dieser teils sehr tiefgreifenden Modernisierungen hat man es geschafft, das gesamte Ensemble, dieses “coole Kind der 60er” in seiner beeindruckenden Eleganz und Weltgewandtheit zu bewahren.
Vielen Dank für Ihre Insights, Herr Otto.