Nach einem beispiellosen Boom steht die Immobilienwirtschaft vor der wahrscheinlich größten Herausforderung ihrer Geschichte. Insbesondere die Projektentwickler trifft es hart. Seit Monaten beherrschen Nachrichten über klamme Unternehmen die Schlagzeilen, mehrere Branchengrößen haben bereits Insolvenz angemeldet. Steigende Baukosten, Lieferengpässe und der geradezu sprunghafte Zinsanstieg vor dem zuvor historisch niedrigen Niveau haben ihre Kalkulationen wie Kartenhäuser in sich zusammenstürzen lassen. enomyc-Autorin und Distressed Real Estate-Expertin Janina Elisa Buchholz erklärt, wie es dazu kam, welche Handlungsoptionen den Unternehmen jetzt bleiben und wem die Krise auch Chancen bietet.

Der Fall könnte kaum tiefer sein. Nach einem Höhenflug mit traumhaften Margen sind viele Projektentwickler in den vergangenen Monaten hart auf dem Boden der Tatsachen gelandet.

Dass es so weit kommen konnte, hat verschiedene Gründe. Zum einen haben in den vergangenen Jahren viele deutschen Städte verstärkt in kommunale Entwicklungsprojekte investiert, um die Infrastruktur und Lebensqualität zu verbessern. In diesem Investitionsklima gelang es vielen Immobilienentwicklern, neue Projekte an Land zu ziehen. Gleichzeitig wurde Deutschland aufgrund seiner politischen Stabilität und starken Wirtschaft auch für ausländische Investoren immer attraktiver. So hat die Investitionstätigkeit nicht-deutscher Bauherren auf dem deutschen Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Bereits 2015 waren 68 Prozent der gewerblichen Immobilienkäufer ausländische Investoren, nur 32 Prozent stammten aus Deutschland.

Ein weiterer, wenn nicht „der“ zentrale Grund für den Boom der Branche sind die bis vor wenigen Monaten außergewöhnlich günstigen Finanzierungskonditionen. Margen jenseits der 15-Prozent-Marke waren im Niedrigzinsumfeld über Leverage-Effekte keine Seltenheit – und häufig auch nicht allzu schwer zu realisieren. Selbst teure Nachrangfinanzierungen konnten die Rentabilität kaum nachhaltig gefährden.

Aus heutiger Sicht ist deutlich, dass sich die Marktentwicklung wie ein Weichzeichner über die Unternehmen legte, auch über Kalkulations- und Managementfehler. Viele Immobilienentwickler agierten zunehmend risikobereit. Die Eigenkapitalbasis wurde teilweise über Mezzanine gestärkt, die Risiken, resultierend aus den entsprechend ambitionierten Zinsätzen, ignoriert. Die erfolgsverwöhnte Branche schien einfach „too successful to fail“.

Die weiteren Aussichten: wenig erfreulich

Anzeichen dafür, dass sich die kritische Lage der Unternehmen schnell zum Besseren wenden könnte, gibt es derzeit wenige. Stark steigende Immobilienpreise haben zu teilweise unrealistischen Erwartungen an die Verkaufsfaktoren und an die Projekte selbst geführt. Viele von ihnen sind auch auf der Kostenseite nicht nachhaltig kalkuliert und überdies mit einem (zu) geringen (echten) Eigenkapitalanteil finanziert.

Neben dem Fachkräftemangel und schwankenden Bau- und Materialkosten machen regulatorische Hürden der Branche zu schaffen: Immer strengere Bauvorschriften und steigende Umweltauflagen, aber auch Anforderungen an ESG-Konformität treiben die Kosten weiter in die Höhe und drücken auf die Rentabilität.

Und obwohl gestiegene Zinsen und Inflation die Finanzierung im Vergleich zu den Vorjahren ohnehin schon erschweren, wachsen die Anforderungen der Finanzierer an Eigenkapitalquoten und Sicherheiten.

Aber auch im Umfeld hat sich einiges verändert. Durch den Trend zu verstärkter Homeoffice-Nutzung benötigen Unternehmen deutlich weniger klassische Büroflächen. Politische Unsicherheit und wenig förderliche wirtschaftliche Bedingungen machen eine belastbare Planung und saubere Kalkulation immer schwieriger. Wo der Weichzeichner bislang vieles in günstiges Licht tauchte, finden sich die Projektentwickler jetzt im schneidenden Licht eines Brennglases wieder.

Risikominimierung ist das Gebot der Stunde

Insbesondere bei größeren Projekten gibt es meist komplexe Abhängigkeiten zwischen Planern, Bauausführenden, Mietern (gegebenenfalls auch Käufern), Finanzierern und Bauherrn. Dadurch und durch die in der Regel langen Projektlaufzeiten steigt das Risiko weiter.

Umso wichtiger ist es jetzt für die Unternehmen und Finanzierer, ein funktionsfähiges und aufmerksam adjustiertes Risikomanagement einzurichten und über alle Phasen der Projekte hinweg aufrechtzuerhalten. Auch ein professionelles Baucontrolling mit entsprechendem Leistungsbild sowie eine regelmäßige kritische Überprüfung aktualisierter Development-Kalkulationen zählen im Sinne der Risikominimierung zum Pflichtprogramm. Außerdem sollten die bei Kreditvergabe getroffenen Kosten- und Erlösparameter laufend überprüft und plausibel auf der häufig dynamischen Projektzeitachse verortet werden. Dabei sind die Anforderungen an die Finanzierer hinsichtlich Umfang und Ausgestaltung des Risikomanagements durch aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen und der europaweiten Regulierung in den letzten Jahren auch formal stetig gestiegen.

Bei laufenden Projekten kann es immer wieder zu weitgehenden ungeplanten Unterbrechungen im Projekt- und Bauablauf kommen. Ursachen dafür können (manchmal auch nur vorübergehende) Liquiditätsengpässe und Budgetüberschreitungen sein, aber auch Fehler des Managements, nicht vorhersehbare Veränderungen des Marktes oder durch den Entwickler bzw. Kreditnehmer nicht berücksichtigte Ereignisse im Bauablauf wie Insolvenzen von Bauausführenden bzw. Planungs- oder Ausführungsmängel mit teils schwerwiegenden Konsequenzen. In dieser Situation entsteht häufig externer Beratungsbedarf bei der Begleitung und Unterstützung in finanziell, immobilienwirtschaftlich oder baulich herausfordernden komplexen Projektsituationen, um insbesondere Projekt- und Baustillständen lösungsorientiert zu begegnen. So stehen bspw. die Plausibilisierung von Developmentkalkulation auf Kosten- und Erlösseite, die Begleitung des Projektfortschrittes gemäß Projektplan und ggf. Begleitung in der weiteren Projektumsetzung in Beratungs- und Controllingfunktion, die Evaluation projektspezifischer immobilienwirtschaftlicher und (immobilien-)rechtlicher Rahmenbedingungen, die Ermittlung etwaiger Nachfinanzierungsbedarfe und Risikopositionen und die Aufbereitung entscheidungsreifer passgenauer Unterlagen für Finanzierungspartner im Fokus unserer Mandate.

Auf mittlere Sicht bleibt die Hoffnung, dass sich die Marktsituation durch die bereits zu beobachtende geringere Nachfrage, sowie die daraus resultierende sinkenden Baukosten und Verkaufspreise normalisiert.

Während viele Projektentwickler derzeit um ihr Überleben kämpfen, macht sich bei eigenkapitalstarken Investoren Goldgräberstimmung breit. Family Offices beispielsweise bietet die aktuelle Krise eine gute Gelegenheit, ihr Portfolio zu erweitern. Wie erfolgreich ihre Investments sind und was das für die potenziellen Nutzer bedeutet, bleibt indes abzuwarten.

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