In vielen Unternehmen sind Spielräume für Profitabilitätsverbesserungen durch Kostensenkungen enger geworden. Die Durchsetzung von Effizienzverbesserungen verlangt Firmen häufig große Anstrengungen ab. Preismaßnahmen sind dagegen leichter umsetzbar und bieten deutlich bessere Möglichkeiten zur signifikanten, aber auch nachhaltigen Profitabilitätsverbesserung.
Wie sehen pragmatische Ansätze aus, die schnell Spielräume für Margenverbesserungen schaffen? Jan Ulrik Holsten, Partner bei enomyc am Standort Berlin, über Verbesserungsansätze und Praxisbeispiele im Pricing.
HÄUFIG VERWENDET – TROTZDEM SCHLECHT: DIE NACHTEILE DER COST PLUS-METHODE
Häufig beobachten wir, dass zur Preisbildung sogenannte „Cost-Plus-Verfahren“ eingesetzt werden. Dazu werden die Herstellungskosten eines Produktes oder einer Dienstleistung identifiziert. Die Preisbildung erfolgt durch Kalkulation eines Gewinnaufschlags. Der so ermittelte Preis kann mit sehr viel Glück die Preiserwartungen der Kunden treffen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Preis entweder unter der Zahlungsbereitschaft der Kunden liegt – und somit wertvolle Margen verschenkt werden – oder er oberhalb dieser Grenze liegt und damit jegliche Verkaufschancen zunichte macht.
Ein weiterer Nachteil der Cost Plus-Ansätze liegt darin begründet, dass die Koppelung zwischen Preis und Kosten häufig systembasiert und damit unreflektiert erfolgt. Gelingt es einem Unternehmen seine Kosten zu senken, so birgt dies das Risiko einer ungewollten Preissenkung. Als größte Schwäche dieser Ansätze ist zu kritisieren, dass der Kunde und seine Zahlungsbereitschaft ausgeblendet werden. Abhilfe schaffen sogenannte nutzenorientierte Ansätze.
VOM MEHRWERT ZUR ZAHLUNGSBEREITSCHAFT: DAS NUTZENBASIERTE PRICING
Warum werden Produkte und Services gekauft? Weil sich Kunden davon einen Nutzen versprechen. Häufig handelt es sich dabei nicht nur um einen singulären Nutzen, sondern um ein Bündel mehrerer Einzelnutzen, die gesamtheitlich von Käufern bewertet werden.
So bewerten beispielsweise Käufer eines Holzkohlegrills nicht nur den Primärnutzen der Zubereitungsmöglichkeiten ihres Grills, sondern auch – mit Blick auf dessen Reinigungsmöglichkeiten – auch einen nachgelagerten Nutzen. Immerhin sind sie bereit, für einen einfachen Ascheauffangbehälter zusätzlich 75 Euro zu bezahlen.
Dieser Sachverhalt zeigt auf, dass eine nutzenbasierte Preisgestaltung von einer Preisdifferenzierung profitiert: Sie muss Hand in Hand mit der Produktentwicklung oder -variation gehen. Ferner ist erkennbar, dass es nicht auf objektive Eigenschaften eines Nutzenbündels oder einzelner Nutzenbestandteile ankommt, sondern auf die Perzeption durch den Kunden und die daraus resultierende Zahlungsbereitschaft.
Praktische Ansätze konzentrieren sich außerdem auf die Identifikation der Werttreiber bei Produktmerkmalen oder sie legen den Fokus auf Leistungsbestandteile im Wertschöpfungsprozess, die nicht selbstverständlich sind.
Low Cost-Airlines sind ein Paradebeispiel für diesen Ansatz. Als Basisleistung wird eine ‚einfache Transportleistung‘ angeboten. Extras kosten extra. Die Zahlungsbereitschaft vieler Menschen für diese Extras ist enorm: So beobachten wir, dass Menschen offenkundig bereit sind, für ein Glas Tomatensaft 20 Euro oder mehr zu bezahlen. Gleiches gilt für Services wie Pre-Boarding oder eine freie Sitzplatzauswahl.
Ein weiteres Beispiel für nutzenbasiertes Pricing kommt aus der Automobilindustrie: Wie sieht es bei der Preisfestlegung für eine Metallic-Lackierung aus? Während die Herstellungskosten zwischen Standard und Metallic-Lack sich nur um wenige Euro unterscheiden, sind einige Käufer bereit, für eine Metallic-Lackierung eine Preisdifferenz von mehr als 700 Euro zu akzeptieren!
Im B2B-Bereich ergeben sich Nutzenpotenziale für Kunden häufig aus einer Flexibilisierung und Variabilisierung der Leistungserstellungs- und Logistik-Prozesse. Auch versicherungsnahe Services werden dazu genutzt. Einige Unternehmen realisieren zum Beispiel bereits mehr als 50 Prozent ihrer Gewinnmarge aus Aufschlägen für kurzfristige Auftragsannahmen, der Realisierung von Wunschlieferterminen oder aus „Rundum-Sorglos-Paketen“ im Service.
ELASTIZITÄTSBASIERTE PREISE – DIE KÖNIGSDISZIPLIN DER PREISGESTALTUNG
Eine besondere Herausforderung im Rahmen der praktischen Preisgestaltung besteht für viele Unternehmen in einer eingeschränkten Kenntnis der Preiselastizität – also der Frage: In welchem Umfang ändert sich die Nachfrage und – in der Konsequenz – der Deckungsbeitrag bei einer Preisvariation nach oben bzw. nach unten? Diese Frage beschäftigt Konsumgüterhersteller ebenso wie auch Anlagen- und Maschinenbau-Unternehmen, wenn es um die Festlegung von Preisen für Ersatzteile geht.
Ob aus Unkenntnis oder Desinteresse: Gerade bei Ersatzteilen beobachten wir noch häufig jährliche, pauschale Preiserhöhungen. So werden mit der sprichwörtlichen „Gießkannen-Attitüde“ Preiserhöhungen gleichmäßig über alle Produktgruppen verteilt, obwohl sich leicht Merkmale identifizieren ließen, wonach beispielsweise Nachfrageerfordernisse und Wettbewerbskonstellationen in verschiedenen Produktgruppen unterschiedliche Preiselastizitäten begründen lassen.
Warum sollten bspw. zeichnungsgebundene Teile in gleichem Umfang angepasst werden wie Fachhandelsteile, die eine deutlich höhere Austauschbarkeit aufweisen? Hier lassen sich bereits mit einfachen, qualitativen Ansätzen zusätzliche Margenspielräume durch elastizitätsbasierte Preiserhöhungen oder auch -senkungen realisieren.
HANDLUNGSEMPFEHLUNG: DIE ANALYSE DES AKTUELLEN PREIS- UND KONDITIONENSYSTEMS
Ein weiterer, pragmatischer Ansatz, um schnell Spielräume für Margenverbesserungen aufzuzeigen, besteht in der Analyse des gegenwärtigen Preis- und Konditionensystems. Ziel ist es, einen „echten“ Preis zu identifizieren, der die Gewinn-Marge eines Unternehmens als Ertragsvariable beeinflusst.
Unsere Erfahrungen aus mehr als siebzehn Jahren Top-Line-Optimierung zeigen, dass zwischen dem fakturierten Rechnungspreis und dem realisierten Nettoerlös teilweise erhebliche Differenzen liegen. Ursachen dafür sind Rabatte, Nachlässe, Freibeträge, Zuschüsse, Frachtkosten und andere Faktoren, die dazu führen, dass der angestrebte Verkaufserlös sich nicht in voller Höhe in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) niederschlägt.
Unsere Analysen zeigen ferner auch häufig eine relativ große Diskrepanz zwischen dem unterschiedlich geplanten Listenpreis und dem realisierten, „echten“ Preis. Je breiter aber die Verteilung ist, umso besser lassen sich auch kleine Preiserhöhungen innerhalb der Bandbreite realisieren. Außerdem führen gezielte Umsatzausweitungen am oberen Ende – ebenso wie defensives Verhalten am unteren Preisende – relativ leicht zu einer Erhöhung des durchschnittlichen Preises.
Betrachtet man die Bandbreiten zusätzlich nach Abnahmevolumina der Kunden, können daraus weitere, wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. So führt häufig die Verhandlungsmacht großer Abnehmer dazu, dass ihnen aufgrund der abgenommenen Mengen niedrigere Preise eingeräumt werden. Tatsächlich beobachtbar ist jedoch auch, dass gerade abnahmeschwache, kleine Kunden mit nachgeordneter Relevanz für die Geschäftsbeziehung häufig besonders niedrige „echte“ Preise zahlen.
ANSATZPUNKTE ZUR PREIS- UND MARGENVERBESSERUNG
Hieraus lassen sich weitere Ansatzpunkte zur Preis- und Margenverbesserung ableiten. Nachstehend haben wir einige Vorgehensweisen aufgelistet, die sich in unseren Projekten als besonders erfolgreich erwiesen haben:
- Zusammenfassung bzw. Streichung einzelner Abschläge
- Senkung der Abschläge durch inhaltliche Überarbeitung
- Einführung von Zuschlägen (z. B. Verpackung, Energie, Losgröße)
- Ausbau / Penetration preissensibler Kundensegmente
- Portfoliobereinigung Produkt-/ Kunden-Kombinationen
- Preisvariation in unattraktiven Clustern
- Fakturierung kundenspezifischer Aufwandstreiber.
Der vorliegende Beitrag richtet den Fokus lediglich auf ein Teilthema des Leistungsschwerpunktes „Umsatzsteigerung- und Margenverbesserung“ und versteht sich als Anregung für eine weiterführende Diskussion.
Welche Fragen beschäftigen Sie zu dieser Thematik? Sprechen Sie uns an. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.