Der von vielen erhoffte und von einigen Wirtschaftsforschern vor Kurzem noch angekündigte Aufschwung scheint vorerst auszufallen. Auch die steigende Zahl an Insolvenzen spricht nicht für eine baldige Trendwende. Schätzungen zufolge wird es in diesem Jahr mindestens 20 Prozent mehr Firmenpleiten geben. Aus mehr als 1.400 Projekten wissen wir: Unternehmenskrisen entstehen nicht von jetzt auf gleich. Meist folgen sie einem vorhersehbaren Muster, viele wären ganz vermeidbar, wenn das Management ein paar wichtige Grundsätze berücksichtigen und rechtzeitig die richtigen Stellhebel betätigen würde. enomyc-Autor Jan Ulrik Holsten erklärt, worauf es dabei ankommt.
Warum gelingt es manchen Unternehmen besser als anderen, Krisen zu vermeiden oder einen erfolgreichen Turnaround hinzulegen? Nach unserer Erfahrung unterscheiden sich in der Krisenbewältigung erfolgreiche Unternehmen von weniger erfolgreichen vor allem dadurch, wie sie mit fünf „Barrieren“ umgehen.
- Barriere: Aus Daten Informationen generieren.
Daten sind rohe, unverarbeitete Fakten und Zahlen, die in dieser Form keine Bedeutung oder Struktur aufweisen. Sie sind die Grundlage für die Erstellung von Informationen und Wissen, aber selbst noch nicht handlungsleitend. Informationen entstehen, wenn Daten in einen Kontext gestellt und interpretiert werden. Um Informationen zu erzeugen, die Bedeutung für die Entscheidungsfindung haben, müssen Unternehmen Daten also kontextbezogen strukturieren. - Barriere: Aus Informationen Wissen machen.
Wissen ist die vernetzte und kontextualisierte Form von Informationen, die durch Erfahrung, Lernen und Reflexion entsteht. Durch Wissen können Menschen und Organisationen Entscheidungen nicht nur auf Basis von Daten und Informationen treffen, sondern unter Berücksichtigung kontextspezifischer Fragestellungen. Diese erfordern im Rahmen (organisationaler) Lernprozesse insbesondere auch die Hinterfragung handlungsleitender Grundüberzeugungen und damit die Fähigkeit zu „Verlernen“. - Barriere: Vom Wissen zur Entscheidung.
Entscheidungen sind zentrale Operationen in Unternehmen. Das vorhandene Wissen bildet die Grundlage für Entscheidungen, die in der Regel immer unter Unsicherheit getroffen werden. Die Qualität von Entscheidungen ist direkt abhängig von der Qualität des Wissens (siehe oben). Eine weitere Herausforderung in Restrukturierungskontexten bestehen darin, im Bedarfsfall die Dringlichkeit von Entscheidungen zu erkennen („Sense of urgency“). - Barriere: Von der Entscheidung zur Maßnahme.
Technische Innovationen und sich ändernde Präferenzmuster müssen sich als betrieblicher Regelprozess auch in der Sortimentsoptimierung abbilden. Fortlaufende Überprüfungen und Anpassungen des Sortiments sind essenziell, um sicherzustellen, dass das Angebot immer auf dem aktuellen Stand und marktgerecht bleibt. - Barriere: Von der Maßnahme zu Ergebnis- und Cash-Effekten.
Messbare Ergebnis- und Cash-Effekte sind das Ergebnis einer guten Umsetzung von Maßnahmen. Die Umsetzungsqualität ist die Achillesferse der praktischen Maßnahmenbearbeitung. Konsequente Steuerung ist ein Erfolgsschlüssel, der Transparenz in Sachen Fortschritt und Effekt-Realisierungsgrad erfordert.
Dieses Verständnis hilft sowohl bei der Identifikation von Barrieren und als auch bei der Anwendung von Best Practices zu deren Überwindung. Im Folgenden zeigen wir, welche Herausforderungen es im Kontext der einzelnen Barrieren zu überwinden gilt und welche Ansätze sich dabei als besonders erfolgreich erwiesen haben.
Zur ersten Barriere: Wie aus Daten Informationen werden
Diese Barriere kann drei Ursachen haben, die entweder einzeln oder gemeinsam eine Herausforderung für Unternehmen darstellen. Dabei handelt es sich um- Erfassungsprobleme. Diese führen dazu, dass Daten nicht in der erforderlichen Qualität (Inhalt, Umfang, Detailierung, Validität, Aktualität, u. a) zur Verfügung stehen
- Strukturierungsprobleme. Sie resultieren häufig daraus, dass Daten unterschiedlicher Systeme nicht in der gebotenen Konsistenz und mit dem richtigen „Datenschnitt“ abgebildet werden (können) sowie
- Interpretationsprobleme, weil entweder analytische Fähigkeiten nicht ausreichend vorhanden sind, Voreingenommenheit vorherrscht oder begrenztes Kontextwissen Schwierigkeiten bei der Erkennung von Mustern und Zusammenhängen in komplexen Daten.
Um die genannten Probleme effizient zu lösen, sollten Unternehmen Ansätze nutzen, die sich in der Praxis bewährt haben und die jeweils einen Teilaspekt der vorgenannten Herausforderungen adressieren. Dazu zählt beispielsweise eine Standardisierung der Datenerfassung durch einheitliche Eingabemasken in CRM-Systemen, die Pflichtfelder und Validierungsregeln beinhalten, oder eine Automatisierung der Datenerfassung mittels IoT, Sensorik und RPA (z. B. automatisierte Lesung von Rechnungen mittels OCR-Software (Optical Character Recognition). Eine andere praxisbewährte Vorgehensweise ist die Implementierung von Datenqualitäts-Tools wie Datenqualitätsmanagement-Software.
Übergreifend und im Hinblick auf die übergeordnete Fragestellung spielen Risikofrüherkennungssysteme, die auf sogenannten Early Warning Signals (EWS) basieren, eine entscheidende Rolle zur Bewältigung der oben genannten Probleme. Im Rahmen dieser Systeme werden Daten erfasst und zu Informationen strukturiert, die geeignet sind, Krisenmerkmale frühzeitig anzukündigen – lange bevor das eigentliche Krisenmerkmal messbar wird oder eintritt.
Worauf es bei der Konzeption, Einführung und Nutzung von Risikofrüherkennungssystemen ankommt, erläutern wir im zweiten Teil dieses Beitrags. Dort gehen wir auch auf ausgewählte Risikofrüherkennungsindikatoren und deren Eignung zur Vorhersage konkreter Krisenstadien ein. Haben Sie Interesse? Dann können sie sich hier bereits vormerken lassen und erhalten diese Information noch vor allen anderen Lesern.
Über den Autor
Jan Ulrik Holsten verantwortet als Partner bei enomyc den Bereich Sales und Marketing. Er verantwortet ganzheitliche Turnaround- und Wertsteigerungsprojekte als Berater und Interim-Manager. Der aktuelle Beitrag wirft ein Schlaglicht auf einen zentralen Lösungsansatz unseres Beratungsportfolios, welcher sich als wertvoller Stellhebel zur Verbesserung der Profitabilität und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit erwiesen hat. Weitere Schwerpunkte von Jan Ulrik Holsten sind die Themenfelder Corporate Profit Improvement und Working Capital Management. Mehr über Jan Ulrik Holsten erfahren Sie hier.