Wenn auch Sie in den letzten Wochen den Finanzteil einer großen Zeitung aufgeschlagen oder sich im Internet informiert haben, haben Sie es sicher auch erkannt: Die Kursentwicklung bei den „virtuellen Währungen“ war erheblichen Aufs und Abs ausgesetzt. Es bieten sich also Investitionsmöglichkeiten für den interessierten Anleger. Gleichzeitig aber stellen sich bei der Renditeerwartung folgende Fragen: Können die möglichen Gewinne aus Bitcoins & Co. steuerfrei angesetzt werden? Und wie sieht es bei möglichen Verlusten aus: Ist dann eine Steuerminderung drin?
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR PRIVATE ANLEGER
Für Privatanleger ist der § 23 Abs. 1 Nr. 2 EstG entscheidend. Dieser regelt die privaten Veräußerungsgeschäfte. Der Verkauf eines Tokens ist demnach nur dann steuerfrei, wenn die Anschaffung mindestens ein Kalenderjahr vor dem Verkauf stattgefunden hat. Ist dies nicht der Fall, muss der Gewinn versteuert werden. Dieser ermittelt sich aus der Differenz der Anschaffungskosten des Tokens abzüglich seines Verkaufspreises. Ein Gewinn unter 600 Euro im Jahr ist steuerfrei. Liegt er über 600 Euro, ist der gesamte Gewinn der Steuer zu unterwerfen.
Problematisch ist für den Steuerpflichtigen, wann und zu welchem Kurs der Token angeschafft worden ist bzw. welcher Kurs der Anschaffung zu verschiedenen Anschaffungszeitpunkten zugrunde zu legen ist.
Der Privatanleger sollte daher genau dokumentieren, wann und zu welchem Kurs er die Anschaffung getätigt hat, um die Höhe der Anschaffungskosten nachweisen zu können. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Finanzamt die Anschaffungskosten der Token anhand der Reihenfolge der Zugänge ermitteln wird, also die zuerst angeschafften gelten auch zuerst veräußert. Der Gewinn ist dann mit dem individuellen Steuersatz des Steuerpflichtigen zu besteuern.
BESTEUERUNG PRIVATER VERLUSTGESCHÄFTE
Erleidet der Privatanleger Verluste aus der Veräußerung der Token, kann er diese mit Gewinnen aus anderen Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG des jeweiligen Jahres, in dem Token verkauft wurden, verrechnen. Eine Verrechnung mit Gewinnen, die aus anderen Einkünften stammen, ist nicht möglich. Allerdings kann ein Verlust aus Veräußerungsgewinnen, der größer war als die damit erzielten Gewinne, auf das vorangegangene Jahr rückgetragen bzw. auf die nachfolgenden Jahre vorgetragen werden.
TOKEN-HANDEL AUS UNTERNEHMERISCHER SICHT
Bei Unternehmen, die mit Token handeln, ist eine Anwendung des § 23 EStG nicht möglich. Die Gewerblichkeit des Handels des Unternehmens stört in diesem Sinne das private Veräußerungsgeschäft. Daher ist der mögliche Gewinn des Verkaufs als Einkünfte aus dem Einzelunternehmen bzw. aus Gewerbebetrieb anzusehen und unterliegt der Unternehmensbesteuerung im Sinne des § 15 EStG. Bei Kapitalgesellschaften ist es dem Körperschaftsteuergesetz (KöStG) und zusätzlich dem Gewerbesteuergesetz (GewStG) zu unterwerfen. Hier gilt: Beraten Sie sich mit einem steuerlichen Berater ihres Vertrauens, wenn Sie verkaufen wollen.
SONDERFÄLLE IM PRIVATEN UND GEWERBLICHEN BEREICH
Auch eine Privatperson, die – beispielsweise durch zu häufiges Handeln oder aufgrund ihrer Arbeits- und Büroorganisation – von der Finanzverwaltung wie ein Einzelunternehmer angesehen werden kann und damit die Vorteile des § 23 EStG verloren gehen. Dies wäre dann für jeden Einzelfall zu prüfen.
Bei der gewerblichen Ausübung der Tätigkeit ist beim Ankaufsprozess unbedingt zu dokumentieren, wann und insbesondere zu welchem Kurs die Anschaffung erfolgt ist. Eine Steuerfreiheit aufgrund einer Haltefrist wie bei § 23 EStG gibt es hier nicht. Verluste wirken sich ergebnismindernd aus. Zu beachten ist, dass die Finanzverwaltung die Gewinne aus dem Verkauf nicht wie Einkünfte aus Kapitalvermögen besteuert. Das System der Abgeltungssteuer kommt nicht zur Anwendung.
UMSATZBESTEUERUNG UND UMSATZSTEUERBEFREIUNG LAUT GESETZ
Umsätze, die mit den virtuellen Währungen ausgeführt werden, werden nicht als der Umsatzsteuer unterliegend angesehen. Hier übernimmt die virtuelle Währung die Rolle der konventionellen Währung und ist daher nicht besteuerbar. Wird die virtuelle Währung in eine klassische Währung getauscht und dabei der oben beschriebene Wechselkursgewinn realisiert, ist auch dieser Tauschvorgang als steuerfreie anzusehen, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Oktober 2015. Dem EuGH-Urteil folgte das Bundesfinanzministerium (BFM) in seinem Rundschreiben vom Februar 2018.
Bei allen weiteren Umsätzen im Zusammenhang mit Bitcoin & Co. ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, inwieweit dieser Vorgang der Umsatzbesteuerung unterliegt. Das betrifft beispielsweise das Zurverfügungstellen von Bezahlsystemen oder die Finanzierung von Unternehmen durch Ausgabe von virtuellen Währungen bzw. virtuellen Aktien im Rahmen eines Initial Coin Offering (ICO). Um also die Steuerfreiheit bei der Berechnung der erwarteten Rendite korrekt ermitteln zu können, bedarf es einer umfassenden steuerlichen Würdigung des Sachverhalts.
AUSBLICK
Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Verbreitung von virtuellen Währungen und dem Fakt, dass sie eben nicht nur Spekulationsobjekt bleiben, sondern auch beim Verkauf von Unternehmen eine Rolle spielen können, zeichnet sich parallel klarer Gegenwind ab. Während Facebook am Launch seiner digitalen Währung Libra arbeitet, wünschen die ersten Zentralbanken, den Markt zu regulieren. So äußerte kürzlich Jerome Powell, Chef der amerikanischen Notenbank Fed, Bedenken gegenüber digitalen Währungen, denen sich US-Präsident Donald Trump anschloss. Aktuell droht Facebooks Währungsprojekt Libra deswegen zu scheitern. Die weiteren Entwicklungen bleiben also abzuwarten.