Dass sich die Krise erst jetzt, knapp drei Jahre nach Ausbruch der Pandemie, in Bilanz, GuV und Cashflow der Unternehmen bemerkbar macht, ist auch auf die nach wie vor gestörten Lieferketten zurückzuführen. Materialknappheit und fehlende oder immer teurere Transportkapazitäten vor allem aus Asien beeinträchtigen den Zufluss von Produkten und Teilen. Um in dieser Situation eine verlässliche Warenversorgung sicherzustellen, haben viele Unternehmen große Sicherheitsbestände aufgebaut. Auch das bindet ordentlich Liquidität.

Doch Liquiditätsengpässe sind kein Schicksal, dem Vorstände oder Geschäftsführer ohnmächtig ausgeliefert sind. Die wichtigsten Ansatzpunkte zur Lösung des Problems liefern Unternehmensplanung, Supply Chain sowie liquiditätsschöpfende Maßnahmen.

Transparenz bei liquiditäts- und ergebnisrelevanten Faktoren

Die Planung für das laufende Wirtschaftsjahr liegt in der Regel bereits vor. Umsätze und Absätze sollten jetzt noch einmal kritisch daraufhin überprüft werden, ob nicht zu optimistisch geplant wurde. Auch eine Bottom-Up-Planung auf Kunden- und Produktgruppenebene ist dringend angeraten – insbesondere, wenn das Unternehmen Abnehmer aus unterschiedlichen Branchen hat. Das Durchrechnen vieler verschiedener Szenarien mit unterschiedlichen Planannahmen genügt nicht. Dazu sind die Problemlagen derzeit einfach zu komplex. Sinnvoller ist es, die bestehende Planung mit den relevanten Planparametern zu sensitivieren (z. B. Umsatz, Materialkosten, Bestandsentwicklung, Personalkosten). Dadurch werden die liquiditäts- und ergebnistreibenden Faktoren schnell transparent.

Auch die Supply Chain-Planung ist in der aktuellen Situation erfolgskritisch. Bei pessimistischen Absatzerwartungen muss die Supply Chain mit aller Konsequenz angepasst werden. Bestellungen müssen gekürzt oder storniert werden, selbst wenn dies zukünftige Lieferantenbeziehungen gefährden sollte. Viele Unternehmen müssen jetzt ohne Wenn und Aber in einen „Überlebensmodus“ schalten. Fragen für die Zeit nach der Krise stellen sich jetzt nicht.

Was sich aus früheren Krisen lernen lässt

Dies lehrt unter anderem die Erfahrung aus der Finanzkrise mit dem abrupten Einbruch im Jahr 2009 und der rasanten Markterholung in 2010. Im Jahr 2009 mussten insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau sowie im Automotive-Bereich Kapazitäten schnell heruntergefahren und Bestellungen großflächig storniert werden. Genau diese Branchen stehen auch jetzt wieder im Fokus. Im aktuellen Restruktuierungsbarometer des FINANCE Magazins führt der Automotive-Sektor die Hitliste der potenziellen Restrukturierungsfälle an. Aber auch der Maschinen- und Anlagenbau sowie Handel und E-Commerce rangieren auf den vorderen Plätzen.

Keine Frage: Das Wiederhochfahren der Supply Chain zu Beginn des Jahres 2010 war nicht einfach. In der Rückschau hat es aber weitgehend funktioniert. Damit bietet die aktuelle Krise auch die Chance, bestehende Lieferketten unter dem Aspekt der Resilienz zu überdenken und neu zu gestalten. Gerade unter dem Aspekt der „Total Cost of Ownership“ müssen Resilienz und Verfügbarkeit in die Gesamtbewertung integriert werden. Auch ein Umstieg auf lokale oder europäische Lieferanten sollte in Betracht gezogen werden.

Bestandsabbau sorgt schnell für neue Liquidität

Klassische liquiditätsschöpfende Maßnahmen sind jetzt das Gebot der Stunde. An erster Stelle steht dabei der Bestandsabbau durch verkaufsfördernde Maßnahmen. Daneben gilt es, den Grundsatz von „pay late, cash early“ zu befolgen. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass Factoring-Dienstleister momentan Hochkonjunktur haben. Besonderen Stellenwert haben in der aktuellen Situation auch Einkauf und Supply Chain-Planung. Kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Liquiditätssicherung müssen mit gleicher Intensität verfolgt werden wie strategische Maßnahmen zur Neugestaltung der Supply Chain. In der Folge könnten einzelne Zulieferbranchen durchaus eine Renaissance erleben, etwa die Gussindustrie. Unter den Aspekten Resilienz, Transportkosten und Versorgungssicherheit kann es für deutsche Unternehmen wieder attraktiv werden, Gusskomponenten lokal zu beschaffen.

Last but not least ist jetzt eine proaktive Finanziererkommunikation gefragt. In schwierigen Zeiten ist das Vertrauen der Finanzierer in Unternehmen, Geschäftsführung und Gesellschafter von überragender Bedeutung. Ein wesentlicher Schlüssel ist eine proaktive und ehrliche Kommunikation. Wenn eine belastbare Liquiditätsplanung vorliegt, sollte diese den Finanzierern vorgelegt werden, um möglichst frühzeitig Lösungen zur Überbrückung etwaiger Liquiditätslücken zu identifizieren. Dabei sollten auch die Warenkreditversicherer nicht vergessen werden.

Den eigenen Einflussbereich jetzt zukunftsfest machen

Unabhängig davon, wie sich die Lage weiter entwickeln wird: Volatilität und multidimensionale Problemlagen werden in naher Zukunft wohl die einzigen Konstanten bleiben. Deswegen sollten sich Unternehmen so schnell wie möglich mit den Themen befassen, die sie selbst beeinflussen können. Dazu zählen der Aufbau resilienter Lieferketten, aber auch die Weiterentwicklung des Controllings dahingehend, dass proaktiv handlungsleitende Informationen bereitgestellt werden können. Außerdem sollten sämtliche Planannahmen permanent auf Aktualität geprüft und liquiditätsschonende Pricing-Strategien erarbeitet werden. Auch das Cash Management und Finanzierung verdienen jetzt besondere Beachtung.

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