Nachhaltige Unternehmensführung, bekannt auch unter dem Kürzel ESG: das schien zunächst ein Thema zu sein, das vor allem Großkonzerne betrifft. Seit einiger Zeit ist jedoch klar: Ab 2025 werden auch viele mittelständische Firmen nach den Vorgaben der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz CSRD, über ihre Nachhaltigkeit berichten müssen. Was genau wird dann von den Unternehmen erwartet? Lässt sich Nachhaltigkeit überhaupt messen und wenn ja, in welcher Form? Die enomyc-ESG-Expertinnen Jennifer Höpfner und Carla Dausend beantworten die wichtigsten Fragen und zeigen an einem Beispiel aus der Beratungspraxis, wie sich die ESG-Konformität eines Unternehmens prüfen lässt.

Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive wächst der Kreis der Unternehmen, die künftig zu einer Berichterstattung zum Thema Nachhaltigkeit verpflichtet sind. Demnach müssen ab dem Jahr 2025 auch Firmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 40 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von 20 Mio. Euro einen entsprechenden Bericht vorlegen. Der erste Report wird das Fiskaljahr 2024 betreffen, das bekanntlich in wenigen Wochen startet. Höchste Zeit also, sich mit CSRD und den damit einhergehenden Transparenzpflichten auseinanderzusetzen.

Dabei ist das Thema ESG längst nicht mehr nur für Mitarbeitende, Mitbewerber und Medien interessant. Auch bei Kunden und Finanzierern rückt es zunehmend in den Fokus. So enthält auch die aktualisierte Fassung des IDW S6-Standard eine entsprechende Klarstellung. Damit steigt auch für Unternehmen in Krisensituationen der Druck, ihr Engagement in Sachen Nachhaltigkeit voranzutreiben – und dies durch ein entsprechendes Reporting zu dokumentieren.

Für die Bewertung von Nachhaltigkeit gibt es – noch – keine Standards


ESG-Reportings sollen die Aktivitäten von Firmen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung transparent machen. Dazu reicht es nicht, eingesparte Tonnen CO2, Wasser- oder Stromverbrauch zusammenzurechnen. Es geht vielmehr darum, entlang der gesamten Wertschöpfungskette für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und ein verantwortungsbewusstes Geschäftsgebaren zu sorgen. Aber wie soll das gehen, wenn allgemeingültige Standards und Vorgaben fehlen?

Um unsere Kunden trotz dieser fraglosen Defizite bestmöglich zu unterstützen, haben wir ein Tool entwickelt, mit dem wir Firmen auf nachhaltige Unternehmensführung prüfen. Aus unserer Sicht bietet es drei Vorteile: Erstens reflektiert es die aktuell wichtigsten Anforderungen der CSRD, zweitens liefert es eine solide Einschätzung des Status quo und drittens lässt es sich mit vergleichsweise wenig Aufwand durchführen.

Entsprechend den Vorgaben der CSRD decken die insgesamt 40 Fragen des Tools die Themen Umwelt, Soziales, Unternehmensführung sowie verschiedene allgemeine Querschnittsthemen ab. Der Bereich Umwelt umfasst die fünf Kategorien Klimawandel, Verschmutzung, Wasser- und Marineressourcen, Biodiversität sowie Kreislaufwirtschaft. Jede Hauptkategorie hat ein bis sechs Unterkategorien. Im Bereich der Kreislaufwirtschaft sind dies unter anderem Ressourcenverbrauch, Abfallmanagement und Recycling, zu denen es jeweils ein bis zwei tiefergehende Fragen gibt. Der Bereich Social unseres Tools untersucht die vier Kategorien eigene Belegschaft, Beschäftigte in der Wertschöpfungskette, betroffene Gemeinschaft sowie Verbraucher/Endnutzer. Das Thema Governance bewertet acht Unterkategorien, von internen Kontrollsystemen und Berichterstattung über Risikomanagement und Compliance bis hin zu Vergütungspolitik und Transparenz. In einem weiteren Bereich werden Angaben zu allgemeinen Offenlegungsanforderungen oder einer nachhaltigen Geschäftsstrategie abgefragt.

In jeder Hauptkategorie wird am Ende entlang einer Skala von 0 (nicht relevant) bis 4 (vollumfänglich berücksichtigt) ein Durchschnittswert ermittelt, außerdem wird das Ganze optisch ansprechend grafisch aufbereitet. Je mehr Daten in das Tool einfließen, desto detailliertere Auswertungen und Benchmarks wird es künftig beispielsweise im Hinblick auf Branchenbenchmarks und andere Kennzahlen ermöglichen.

Fallstudie: Anwendung des ESG-Tools im Mittelstand

Einer unserer Kunden, ein mittelständisches Unternehmen aus dem Bereich Materialbearbeitung, hat sich im Rahmen eines IDW S 6-Gutachtens für die Nutzung unseres ESG-Tools entschieden.

Um den Status quo zu erheben, haben wir zunächst in mehreren Abteilungen Interviews geführt, etwa mit der Geschäftsführung und den Verantwortlichen für die Themen Produktqualität, Strategie, HR, Unternehmensführung, Logistik und Verpackungsmanagement. Zusätzlich haben wir Daten abgefragt, um die getätigten Aussagen zu plausibilisieren. Damit wollen wir – auch im Sinne unserer Kunden – vermeiden, dass Zusammenhänge übertrieben positiv dargestellt oder sogenanntes Greenwashing betrieben wird.

Eine Lektion, die in diesem Zusammenhang die Unternehmen dabei lernen müssen, ist die, dass unser Tool und auch das spätere CSRD-Reporting in erster Linie den Ist-Zustand betrachtet. Das heißt: Egal, wie beeindruckend und vorbildlich geplante Vorhaben sind – solange sie (noch) nicht Teil des operativen Unternehmensalltags sind, solange haben sie im Bericht nichts zu suchen.

Eine weitere wichtige Erkenntnis war, dass die geschilderte Vorgehensweise in kurzer Zeit nicht nur einen guten Überblick liefert, sondern auch Hinweise auf wichtige Handlungsfelder für ein künftig besseres Scoring gibt. So ist in unserem Beispielunternehmen etwa aufgefallen, dass die Geschäftsstrategie noch keine definierten ESG-Ziele enthält und bislang auch keine verantwortliche Funktion bzw. Person für das Thema benannt wurde. Andere zentrale Anforderungen, etwa zu sozialen Kriterien, beispielsweise bei Inklusion und Gleichberechtigung, wurden dagegen erfüllt und auch bei der Erhebung von Daten zum Energie- und Wasserverbrauch sowie zum CO2-Ausstoß war das Unternehmen schon gut aufgestellt.

Insgesamt sind die Ergebnisse nicht nur beim Kunden, sondern auch bei den involvierten Banken sehr positiv aufgenommen worden: Die gewünschte Finanzierung ist jedenfalls zustande gekommen und wir werden die Firma bei der Umsetzung der anstehenden Maßnahmen begleiten.

Erste Zwischenbilanz: Aufwand, der sich lohnt

Auch wenn der regulatorische Rahmen für nachhaltiges Reporting und damit unser Tool noch am Anfang stehen: Das geschilderte Unternehmen ist in unseren Augen ein gutes Beispiel dafür, wie mittelständische Unternehmen ESG-Berichtspflichten umsetzen und ihren Investoren gleichzeitig wichtige Informationen über ihre langfristige Leistungsfähigkeit liefern können.

Die Unternehmen selbst profitieren auf vielfältige Weise: von besserem Zugang zu frischem Kapital (weil ESG-Kriterien bei Finanzierungen eine immer größere Rolle spielen) über geringere Kosten und Risiken bis hin zu einer besseren Reputation und höheren Umsätzen. Denn auch Kunden geben Anbietern mit einer ausgeprägten ESG-Strategie bei ihren Kaufentscheidungen immer öfter den Vorzug. Und last but not least steigert eine gute ESG-Performance auch die Attraktivität als Arbeitgeber, denn gerade jüngere und gut qualifizierte Beschäftigte bevorzugen Firmen, die nachhaltige Werte und eine positive Unternehmenskultur pflegen.

 

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