Wird es nur Corona-Hilfen für die Unternehmen geben, die noch vor der Krise gesund und profitabel waren? Uwe Köstens, Managing Partner bei enomyc, sieht die Gefahr, dass nur Unternehmen, die per Definition in den Bedingungen der KfW oder vor dem Hintergrund der EU-Bestimmungen, gesund sind, in den Genuss von privilegierten Finanzprogrammen kommen. Wie sieht er die aktuelle Situation? Wie schätzt er die Zukunft ein und wozu hat ihn die aktuelle Situation bewogen? Ein Kommentar.
Der Blick in die Hamburger Innenstadt ist gespenstisch
Über den Neuen Wall hinweg oder in die Ausfallstraßen hinein. Alles hält die Luft an. Fährt man aus der Innenstadt nördlich raus, entlang von Straßen, die voller kleiner Geschäfte und Betriebe sind, so auch dort: Stillstand.
Dass Geschäfte mehrere Wochen auf behördliche Anordnung hin geschlossen werden müssen – das hat es noch nie gegeben. Es ist ein Drama. Ein Zustand, der auch im historischen Vergleich noch nie dagewesen ist. Dagegen waren der 11. September oder die Finanzkrise im Hinblick auf Umfang und Ausmaß deutlich geringer. Allenfalls kommt die Weltwirtschaftskrise von 1929 an die jetzige Dramatik heran. Aber auch diese kam nicht aus einer solchen Fallhöhe, mit einer solchen Fallgeschwindigkeit wie die Corona-Krise jetzt.
Der Aufprall kommt noch
Es ist, als würde ein Aufzug aus dem 100. Stock ungebremst nach unten fallen. Und wir sind noch nicht einmal beim Aufprall. Wir reden zum jetzigen Zeitpunkt über vier Wochen Krisenverlauf in Deutschland und in Europa. Wir sind noch im freien Fall. Aus meiner Sicht kommt der Aufprall erst noch. Durch den aktuellen Lockdown hat sich ein dramatischer Wirtschaftsabschwung eingestellt. Er wird sich im Nachklapp offenbaren. Wenn wieder sukzessive hochgefahren wird. Dann wird offensichtlich, was alles an Umsätzen und Aktivitäten ausgeblieben ist. Die Kosten sind ja anteilig weitergelaufen. Trotz Kurzarbeitergeld. Trotz eingesparter Miete. Alle Unternehmen werden auf deutlich niedrigerem Niveau einen Restart vornehmen müssen.
Sollte der Lockdown – das ist die vorgeschaltete Arbeitshypothese – spätestens ab Mai ausgesetzt werden und wir schnellstmöglich zur Normalität zurückkehren, so blicken wir dann dennoch auf sechs Wochen Stillstand. Für viele Unternehmen sind diese viel zu lang. Die Corona-Krise wird eine tiefe Schneise in die Weltwirtschaft und die Unternehmensbilanzen schlagen.
Alle Unternehmen sind in Schwierigkeiten – nur auf unterschiedlich hohem Niveau
Selbst starke, florierende, prosperierende Unternehmen haben ein großes Problem. Auch ihnen brechen heute bis zu 80 oder 90 Prozent des Umsatzes weg. Selbst für diese ursprünglich gesunden Unternehmen stellt dies eine existenzielle Herausforderung dar. Ich frage mich: Wie ergeht es dann erst Unternehmen mit mittleren oder schlechten Bonitäten?
Wir beobachten die Vergabekriterien für die einzelnen Hilfsprogramme permanent: Haben sich die Bedingungen geändert? Gab es Lockerungen? Ist die Laufzeit für die betreffenden Kredite verlängert worden? Braucht es noch eine Fortführungsprognose?
Ich will nicht ausschließen, dass die KfW-Kriterien in der nächsten Zeit weiter angepasst werden – vor allem deshalb, weil sich jetzt herausstellt, dass die privilegierten Finanzmittel nur gesunden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Dass hier also selektiv oder zu selektiv vorgegangen wird. Würden die Vergabekriterien so weit angepasst werden, dass auch "Grenzbonitäten" in den Genuss solcher Finanzmittel kämen, hätten wir aber einen kompletten Paradigmenwechsel. Und das ist für meine Begriffe – auch EU-rechtlich im Sinne von Unternehmen in Schwierigkeiten – nicht ganz unproblematisch.
Was löst die aktuelle Situation in mir als Unternehmensberater aus?
Ich befürchte, dass die Unternehmen, die bereits vor der Corona-Krise Probleme hatten, nun große Gefahr laufen, unter die Räder zu kommen. Und ich sehe die Gefahr, dass nur diejenigen Unternehmen, die per Definition in den Bedingungen der KfW oder vor dem Hintergrund der EU-Bestimmungen, gesund sind, in den Genuss privilegierter Finanzierungsprogramme kommen werden.
Wir sind Sanierer. Bei enomyc haben wir jeden Tag Krise – und das seit 17 Jahren Unternehmensgeschichte. Was mich jetzt mehr denn je antreibt, ist, die Unternehmen vor dem Hintergrund einer sich dramatisch verschlechternden Weltwirtschaft so sicher wie möglich über Wasser zu halten und sie zukunftsfest zu machen.
Was brauchen Unternehmen jetzt?
In mir hat sich seit vielen Jahren die Annahme verfestigt, dass Unternehmen – jetzt umso mehr – einen klaren Blick auf die Dinge benötigen. Ohne Wahrheit und Klarheit bleibt nur beten und hoffen. Dagegen wird die Erstellung eines echten Krisenszenarios, eines Worst Case, Klarheit bringen. Die Prämissen für die Planung und für die Ableitung der Finanzmittel, die jetzt benötigt werden, müssen realistisch gesetzt werden. Das ist der Einstieg in eine konsequente und erfolgreiche Bewältigung der Krise.
Was ich immer wieder feststelle, ist ein deutliches Erkenntnisproblem:
‘Trägt sich mein Geschäftsmodell noch? Ist es wettbewerbsfähig?’ — Zahlreichen Unternehmen in der Krise fällt es ohnehin extrem schwer, ihr Geschäftsmodell ehrlich zu hinterfragen und jetzt, in der aktuellen Situation, in der sich die Rahmenbedingungen kollektiv und in Windeseile verändern, ist diese Herausforderung ungleich komplexer.
Das Verwirrende – das, was Unternehmen jetzt Angst macht – ist, dass es keinerlei Erfahrungswerte gibt, keine Fixpunkte, an denen sie sich festhalten und über die sie sich absichern könnten. Der aktuelle Zustand ist beispiellos. Wie eine Gleichung mit tausend Unbekannten. Das macht es schwierig. Auch für die Banken.
Privilegiert oder nicht? Die Banken müssen selektieren
Durch die aktuellen Vergabebedingungen der KfW sind Banken gezwungen, zu selektieren. Zu bestimmen: Welche Unternehmen sind die "privilegierten", die finanzierungswürdigen? Welche nicht? Sie sind gespalten zwischen dem Wunsch, Pleiten abzuwenden und der Vorsicht, keinesfalls Kredite zu vergeben, deren Rückzahlung in Zweifel gezogen werden müssen. Immerhin kann sich das aktuell zehn- bis 20-prozentige Restrisiko, was bei der Hausbank verbleiben würde, dort dramatisch kumulieren!
In meinen Augen versuchen die Banken vieles, um gesunden Unternehmen schnellstmöglich Hilfe zu gewähren – wenngleich der Bund zum jetzigen Zeitpunkt Haftungen von 80 oder 90 Prozent übernimmt. Zu wenig, wie die Banken- und Unternehmensverbände finden. Sie fordern eine höhere Staatshaftung.
Mit der heißen Nadel gestrickt: Die Maßnahmen der Regierung
Keinerlei Erfahrungswerte mit einer solchen Krise – schon gar nicht mit ihrer Geschwindigkeit: Auch die Regierung ist stark herausgefordert. Sie hatte nur wenige Tage Zeit, um einen Maßnahmenplan zu entwerfen, der eine ganze Volkswirtschaft abfedern sollte! Und dieser Plan wird immer wieder durch die Realität überholt.
Nun sind die bisherigen Hilfsmaßnahmen der Regierung durchweg zu begrüßen. Was wir allerdings in unserer Arbeit als Berater feststellen, ist, dass durch die kurzfristige Realisierung dieser Programme diverse Fragen und Unklarheiten entstehen, mit denen sich nun viele Unternehmen konfrontiert sehen.
“Komme ich in eine privilegierte Finanzierungssituation: Ja oder Nein? Entspricht mein Unternehmen rein formal den Bedingungen: Ja oder Nein?”
Jetzt zeigt sich: Um die deutschen mittelständischen Unternehmen flächendeckend und kurzfristig mit Krediten zu versorgen, reicht der aktuelle Plan der Regierung noch nicht aus. Wahrscheinlich wäre die 100 Prozent-Absicherung und Garantieübernahme durch den Staat die bessere Variante. Dann liefen zumindest die Banken nicht Gefahr, auf den aktuell zehn bis 20 Prozent des Restrisikos hängen zu bleiben.
Vorsicht vor falschen Angaben!
Die Finanzmittel, die aktuell Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, sind Subventionen. Bei Subventionen ist der Übergang zum Subventionsbetrug nicht zu unterschätzen: Hier zu tricksen oder ungenau zu arbeiten, wäre fatal! Machen Unternehmen falsche Angaben und erschleichen sich Finanzmittel unberechtigterweise, besteht die Gefahr, sich dem Vorwurf des Subventionsbetrugs auszusetzen. Bearbeiten wiederum Banken die Anträge falsch, laufen sie Gefahr, die Haftungsfreistellung von 80 oder 90 Prozent durch die KfW zu verlieren. Auch das kann zu erheblichen Verlusten in den einzelnen Häusern führen.
Deswegen ist es enorm wichtig, dass den KfW-Anträgen eine wichtige und seriöse Prüfung vorausgeht. Eine über den Daumen gepeilte Ermittlung muss unbedingt ausgeschlossen werden. Der Finanzierungsbedarf muss sauber und korrekt ermittelt und das Geschäftsmodell so abgebildet werden, dass eine schnelle Bearbeitung durch die Hausbank oder KfW ermöglicht wird. Und die Anträge im besten Fall positiv beurteilt werden können.
Ein Corona-Kompakt-Gutachten muss her
Ein Standard für Unternehmen, ein konsistentes, in sich geschlossenes Produkt, das abbildet, was Unternehmen jetzt so dringend brauchen: einen schnellen Zugang zu den benötigten Finanzmitteln. Dafür haben wir das Corona Kompakt-Gutachten entwickelt.
Bei der Entwicklung dessen haben wir uns klar an den Bedingungen der KfW und den EU-rechtlichen Anforderungen an Unternehmen orientiert und unsere langjährige Expertise als Unternehmens- und Sanierungsberater eingebracht. Ziel dieses Gutachtens ist es, schnellstmöglich eine standardisierte und transparente Basis zu schaffen, auf deren Grundlage eine schnelle bankenseitige Bearbeitung bzw. Bewilligung möglich wird.
Jetzt zählt neben dem Tempo, das vorgelegt werden muss, die Qualität und Treffsicherheit. Sportlich gesehen mutet der jetzige Prozess einem Biathlon an: Trotz einer hohen Geschwindigkeit, muss unbedingt Präzisionsarbeit geleistet werden. Die Geschwindigkeit, die jetzt so bitter Not tut, darf auf keinen Fall zu Fehlern führen. So könnten Unternehmen und auch Banken das Ziel verfehlen.
Welche Mittel können Unternehmen beantragen? Wozu sind sie berechtigt?
Wir sind in der Lage, Unternehmen und Banken in der Kürze der Zeit dabei zu unterstützen, die KfW-Kriterien für Unternehmen auf ihre Richtigkeit zu prüfen und darüber hinaus.
Was haben wir gelernt?
Wir müssen rekapitulieren. Wir müssen uns darauf konzentrieren, einen klaren und wahrhaftigen Blick zu behalten – auf uns, auf unsere Unternehmen, unsere Ausrichtung und auch die Chancen, die wir beim Restart realisieren werden.
Ich gehe einerseits davon aus, dass jetzt ein vermehrtes Insolvenzgeschehen zu beobachten sein wird. Es wird klar ums Überleben vieler Unternehmen gehen. Auf die Zukunft gerichtet meine ich aber auch, dass viele Unternehmen aus der aktuellen Not eine Tugend machen werden. Dass sie sich neu aufstellen werden und Themen angehen werden, vor denen sie sich bislang gescheut haben. Nehmen wir die Digitalisierung:
Das Geschäftsmodell digital zu ertüchtigen, ist für viele Firmen kein Nice-to-have mehr. Es ist zum Must-have geworden. Wir beobachten aktuell, dass Unternehmen, die sich beispielsweise rechtzeitig mit dem Thema E-Commerce auseinandergesetzt haben, sich technisch klug aufgestellt haben, im Bedarfsfall – also in der jetzigen Situation – eher in der Lage sind, sich den aktuellen Herausforderungen des Marktes zu stellen.
Welche Fragen beschäftigen Sie? Welche Themen möchten Sie gern in einem gemeinsamen Gespräch eruieren? Sprechen Sie uns an. Wir stehen Ihnen zur Seite.
Jetzt aber Zukunft!