Wie können Unternehmen durch den Ausbau ihres Service-Geschäfts ihre Profitabilität steigern? Welche Grundlagen und Erfolgsmuster gibt es für die Weiterentwicklung des Wachstumstreibers Service? Diesen Fragen widmeten wir uns vergangenen November im ersten Teil unserer Blogpost-Reihe zum Thema „Wachstum durch Service“.

Wirtschaftlich befand sich Deutschland zu diesem Zeitpunkt am Rande einer Rezession, doch es gab auch erste Vorzeichen für eine Erholung. Heute wissen wir: Deutschland wird aufgrund der COVID-19 Pandemie in jedem Fall in eine Rezession abfallen. Die sogenannten Wirtschaftsweisen sind sich einig: Deutschland befindet sich in einer Krise.

Der zweite Teil unserer Themenreihe wird sich aus diesem Grund den servicebasierten Geschäftsmodellen in Zeiten der Krise widmen. Was macht servicebasierte Geschäftsmodelle gerade in Krisenzeiten besonders erfolgreich? Warum ist die Digitalisierung ein wichtiger Treiber für neue Service-Produkte und wie gelingt es, Services kunden- und mehrwertorientiert zu entwickeln?

Ausbau des Service-Geschäfts als Strategie im Umgang mit der Krise

Fragen nach der voraussichtlichen Dauer und dem Umfang der wirtschaftlichen Beeinträchtigung lassen sich nicht pauschal beantworten. Dazu fallen die von der Regierung verhängten Einschnitte in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte der Menschen branchenspezifisch zu unterschiedlich aus. Die aktuelle Lage ist u. a. durch zwei Merkmale gekennzeichnet:

Erstens gibt es keine konsistente Vorgehensweise in Europa – nicht einmal in Deutschland, sondern lediglich angstbasierte und auf Partikularinteressen abgestellte Abwägungsentscheidungen vor dem Hintergrund einer sogenannten „Systemrelevanz“. Die Vorgaben für die deutsche Wirtschaft sind inkonsistent und fallen regional unterschiedlich aus.

Zweitens gibt es Branchengewinner – vor allem aber auch Verlierer. Während Hersteller von Desinfektionsmitteln, Apotheken, Drogeriemärkte, der Lebensmitteleinzelhandel und Online-Anbieter (Handel und Streaming) zu den Profiteuren der Krise zählen, sind andere Branchen schwer gebeutelt. Umfang und Dauer der Beeinträchtigung sind vor allem für die Luftfahrt- und Tourismusindustrie, Messen, Kultur und Gastronomie schwer abschätzbar.

So unterschiedlich die Betroffenheit pro Branche ausfällt, so unterschiedlich sind auch die Ansätze und Strategien im Umgang mit der Krise. Eines ist jedoch sicher: Unternehmen, die bereits vor der COVID-19 Krise über ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügten oder denen es gelungen ist, ihr Geschäftsmodell in den letzten Wochen radikal weiterzuentwickeln, werden die aktuelle Situation durchstehen – vielleicht sogar gestärkt aus ihr hervorgehen. Der Ausbau des Service-Geschäfts kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.


Digitale Geschäftsmodelle und flexible Leistungsbestandteile

Wie bedeutend die Rolle digitaler Geschäftsmodelle für das Service-Geschäft ist, wurde im ersten Teil der Themenreihe näher erläutert. Service-Produkte, die mit deutlich weniger menschlichen Interkationen auskommen, erhalten in der aktuellen Situation starken Rückenwind. Funktionen wie Condition Monitoring, Remote Management und Augmented Reality finden auch auf CEO-Ebene zunehmend Akzeptanz und schaffen den Sprung vom Buzzword zum Geschäftsmodell. Unternehmen, denen es gelingt, ihr Service-Portfolio innovativ und digital weiterzuentwickeln und so Mehrwert für ihre Kunden zu generieren, werden zukünftig zu den Gewinnern am Markt zählen.

Für die strategische Weiterentwicklung des Service-Portfolios ist es außerdem wichtig, die einzelnen Leistungsbestandteile nach dem Baukastenprinzip zu differenzieren und zu flexibilisieren, sodass für verschiedene Präferenzstrukturen einzelner Marktsegmente jeweils überzeugende Value Propositionen aufgebaut werden können. Eine profunde Marktkenntnis hilft immens, um Service-Angebote zu differenzieren und zu flexibilisieren. Auch eine nachgelagerte Marktsegmentierung ist eine wichtige Erfolgsgröße.


Marktanteile durch Marktsegmentierung und Produktdifferenzierung

„One fits all“ galt nur bei Ford‘s Tin Lizzy. Für den Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile ist es entscheidend, die unterschiedlichen Präferenzstrukturen des Marktes mit einem differenzierten Leistungsportfolio zu bedienen. Hierzu ist es notwendig, die Entwicklung von Service-Produkten auf Grundlage einer Marktsegmentierung vorzunehmen. Die Produktentwicklung resultiert in vielen Unternehmen aus Marktforschung und Marktsegmentierung. Während dieser Vorgang im Neuproduktgeschäft Standard ist, gilt hier für den Service: Fehlanzeige.

Im Ersatzteilgeschäft kann eine Marktsegmentierung beispielsweise Triebfeder für den Aufbau alternativer Produktlinien mit unterschiedlichen Qualitäten sein, die jeweils unterschiedliche Teilsegmente eines Marktes bedienen. Ein gutes Beispiel hierfür liefert Volkswagen: Die Marke führt zwei Original-Ersatzteilmarken und hat – neben einem Premiumprodukt – auch eine „Economy“-Produktlinie im Portfolio. Durch das Angebot von Ersatzteilen der Economy-Linie mit geringerem Gewährleistungsumfang und einem deutlich niedrigeren Preisniveau ist es VW gelungen, Marktanteile von Anbietern des „Independent Aftermarkets“ zurückzugewinnen. Im Bereich der klassischen Dienstleistung liegt der Schlüssel im Aufbau eines modularisierten Service-Portfolios (Baukasten), welcher dann bedarfsorientiert zugeschnitten und über Service-Level differenziert werden kann.

 

Systematische Einbindung von Service im Produktentwicklungsprozess

Unternehmen, bei denen die Erkenntnisse aus der Marktsegmentierung systematisch in die Neuprodukt- und Service-Entwicklung einfließen, gelingt es in deutlich stärkerem Umfang, das Service-Geschäft im eigenen Haus zu behalten. So setzen sie auch für vergleichbare Leistungen höhere Preise durch als der Wettbewerb. Die systematische und frühzeitige Zusammenarbeit von Neuprodukt- und Service-Geschäft kann aber noch auf ganz andere Art und Weise die Wettbewerbsfähigkeit im Service verbessern.

Je besser es gelingt, Service-Anforderungen im Neuproduktdesign zu verankern, desto umfangreicher sind die Vorteile, die die Service-Organisationen hierüber realisieren können. Die wichtigsten Anforderungen, die es aus Service-Gesichtspunkten zu berücksichtigen gilt, sind:

  • Design-for-Serviceability: technische Vorbereitung für bessere und umfangreichere Servicedienstleistungen
  • Design-for-Upgradeability: technische Vorbereitung von Erweiterungsmöglichkeiten
  • Design-for-Service Necessity: Destandardisierung und Erhöhung technischer Komplexität
  • Entwicklung von (proprietären) Monopolteilen.

Die beiden ersten Initiativen – Design-for-Serviceability und Design-for-Upgradeability – zielen vor allem darauf ab, die Effizienz in der Abwicklung des späteren Service-Geschäfts zu erhöhen. Dadurch kann die eigene Wettbewerbsfähigkeit gegenüber alternativen Anbietern gesteigert werden. Die beiden letztgenannten Initiativen – Design-for-Service Necessity und Entwicklung von Monopolteilen – dienen tendenziell der Abschottung des Marktes gegenüber Drittanbietern. Gemeinsam ist allen Initiativen, dass der Umsetzungserfolg an die Formulierung klarer Zielvorgaben gekoppelt ist.

Der aktuelle Beitrag wirft nur ein Schlaglicht auf ein Teilthema unseres Beratungsfeldes Corporate Performance Improvement und versteht sich als Anregung für eine weiterführende Diskussion. Welche Weiterentwicklungen sind außerdem wichtig? Wie sollte ein Service-Geschäft organisatorisch verankert werden und welche Anforderungen ergeben sich für den Service-Vertrieb? Auch darüber werden wir bald berichten.

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