Die Pharmaindustrie steht an einem Wendepunkt. Während der weltweite Bedarf an Wirkstoffen und Vorprodukten (APIs) steigt, geraten immer mehr mittelständische Hersteller aus Europa unter Druck. Explodierende Standortkosten und lähmende Regulatorik, aber auch die Abhängigkeit von asiatischen Lieferanten machen ihnen das Leben schwer. Der Markt wächst zwar, aber nicht für alle. In ihrem Beitrag gehen Dr. Stefan Frings und Marius Stenzel der Frage nach, warum manche Unternehmen trotz steigender Nachfrage ständig an Boden verlieren und was sie jetzt tun können, um ihre Produktion, Lieferketten und Organisation an die neuen Herausforderungen anzupassen.
Für viele etablierte Hersteller pharmazeutischer Wirkstoffe ist die Entwicklung ambivalent: Während Nachfrage und Produktvielfalt gemessen an der Zahl gültiger CEP-Zertifikate steigen, geraten immer mehr zertifizierte Anbieter unter Druck – insbesondere im Mittelstand.
Für deren kritische Entwicklung verantwortlich sind verschiedene Faktoren. Einer davon: die in Deutschland bekanntermaßen hohen Standortkosten. Trotz leichter Entspannung bleiben die Preise für Energie und Rohstoffe volatil, steigende Löhne und Ausschreibungswettbewerb im Generikabereich drücken auf die Marge. Auch der Zollstreit mit den USA belastet die Unternehmen. Aufschläge von bis zu 100 Prozent auf importierte Medikamente würden insbesondere europäische Exporte massiv verteuern. Dazu kommt die aktuelle Unsicherheit durch geopolitische Spannungen und Reshoring-Programme, die starken Einfluss auf Standortentscheidungen haben.
Auch im Bereich Regulatorik ist keine Entspannung in Sicht. Im Gegenteil: EU-Arzneimittelpaket, Chemikalienstrategie und strengere FDA/EMA-Anforderungen sorgen für immer noch mehr Komplexität, schließlich sind die Vorgaben für viele Unternehmen unter anderem mit teuren Anpassungen in Prozessen und IT-Systemen verbunden.
Riskante Abhängigkeit, technologische Chancen
Als wahres Klumpenrisiko für die gesamte Industrie erweist sich zudem die massive und ständig steigende Abhängigkeit von asiatischen Vorstufenlieferanten. Bei Vorprodukten, den sogenannten APIs, liegt die Importquote zwischenzeitlich bei bis zu 80 Prozent. Jeder Engpass oder politische Konflikt schlägt also direkt auf die Unternehmen durch. Diversifizierung ist dringend geboten.
Es gibt aber auch gute Nachrichten. So erschließen Automatisierung, digitale Prozesskontrolle und KI neue Potenziale für Wettbewerbsfähigkeit und mehr regulatorische Sicherheit. Wachstum ist also grundsätzlich möglich – vorausgesetzt, die Unternehmen verfügen über die notwendige strategische Weitsicht, operative Exzellenz und einen klaren Fokus.
Transformation in der Pharmaindustrie: Die wichtigsten Hebel für mehr Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit
In den folgenden fünf Bereichen herrscht insbesondere in mittelständischen Unternehmen der Branche der größte Handlungsdruck:
- Standortstrategie & Kostenbelastung
Hohe Energiepreise, volatile Rohstoffkosten und strenge Auflagen machen die Produktionsstandorte Deutschland, Österreich und die Schweiz anspruchsvoll – aber nicht per se untragbar. Entscheidend ist, ob Unternehmen ihre Werke kostenoptimiert und strategisch aufstellen. Welche Produkte rechtfertigen hohe Standortkosten? Welche Kapazitäten lassen sich verlagern, bündeln oder modularisieren? Es gilt, Standorte mit modularen Produktionsnetzwerken und klarer Portfoliosteuerung neu zu denken. - Abhängigkeiten in der Lieferkette
Pharmazeutische Hersteller sind in vielen Bereichen hochgradig abhängig von wenigen Vorlieferanten, meist aus China oder Indien. Einkauf und SCM sind operativ gut organisiert, aber strategisch unterentwickelt. Vorausschauende Unternehmen setzen auf Dual Sourcing und Nearshoring-Konzepte auf Basis transparenter Risikobewertung, strategischer SCM-Verankerung und gezielter Lieferantenentwicklung. - Digitale und regulatorische Überforderung
Die regulatorischen Anforderungen steigen stetig, doch die internen Prozesse hinken häufig hinterher. Kaum eine Branche ist so dokumentationspflichtig und datensensitiv, aber gleichzeitig noch immer so papierlastig wie die Pharmaindustrie. Batch-Dokumentation, Rückverfolgbarkeit und Change Control sind vielerorts nicht systematisiert. Das verzögert Freigaben, überlastet QA-Teams und erhöht die Fehleranfälligkeit. Interne Abläufe bleiben unnötig träge. Digitalisierung wird häufig als IT-Projekt behandelt – nicht als Hebel für Compliance, Effizienz und Skalierbarkeit. - Know-how-Verlust und Personalprobleme
Der Renteneintritt der Generation der Babyboomer trifft viele zentrale Funktionen wie Produktion, Qualität und Regulatory Affairs. Gleichzeitig fehlen strukturierte Nachfolgepläne, digitale Wissenssysteme und moderne Rollenmodelle. In mittelständischen Strukturen hängt kritisches Wissen meist an wenigen Schlüsselpersonen – wertvolles Erfahrungswissen geht mit der Verrentung der Beschäftigten unwiederbringlich verloren. Was heute noch ein Personalthema ist, wird morgen zum Wachstumsrisiko. - Geopolitik & Handelsrisiken
Die Präsenz chinesischer Anbieter von hochwertigen Produkten nimmt zu. Verstärkt durch US-Zölle und staatliche Förderung drängen sie immer machtvoller auf den EU-Markt. Das verschärft den Preisdruck und setzt europäische Hersteller unter Margendruck. Gleichzeitig wächst der globale Subventionswettbewerb z.B. durch Rückverlagerungsforderungen: Standorte konkurrieren nicht mehr nur über Kosten, sondern zunehmend über politische Stabilität. Wer seine Liefer-, Absatz- und Standortstrategien nicht aktiv an diese Dynamik anpasst, riskiert, von außenpolitischen Entscheidungen überholt zu werden.
Mit externer Expertise neue Wachstumschancen erschließen
Viele erfolgreiche Unternehmen der Branche kommen aus dem Mittelstand. Sie kombinieren technologische Spezialisierung mit regulatorischer Exzellenz, denken in Plattformen statt in Einzelmolekülen und agieren international vernetzt. Ihr Beispiel zeigt: Wachstum ist möglich – auch im Mittelstand.
Mit einem Partner, der die Sprache des Mittelstands spricht, die richtigen Hebel zu identifizieren und anzusetzen weiß, können auch Sie Ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig verbessern und neue Wachstumschancen nutzen.
Vertiefende Einblicke und praxisnahe Strategien
Erfahren Sie im Whitepaper „Strategische Wege zur Transformation der produzierenden Pharmaindustrie in der DACH-Region“, wie mittelständische Hersteller ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern, Produktionsnetzwerke optimieren und regulatorische Anforderungen effizient meistern können.
Hier erhalten Sie die vollständige Übersicht:
Haben Sie Fragen? Unsere Experten Dr. Stefan Frings und Marius Stenzel stehen Ihnen gern für ein persönliches Gespräch zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns – gemeinsam identifizieren wir die Hebel für Stabilität, Effizienz und Wachstum.