Der Windenergiemarkt in Deutschland eilt von Rekord zu Rekord. Noch nie wurden so viele Genehmigungen für neue Anlagen erteilt wie im vergangenen Jahr. Fast ein Drittel des Stroms wird inzwischen mit Windkraft produziert. Trotzdem ist die Branche kein Selbstläufer. Nicht nur, weil sich der Markt oft so volatil entwickelt, wie die Winde wehen. Auch wachsende Konkurrenz aus Asien setzt die Unternehmen unter Druck. In ihrem Beitrag werfen die enomyc-Autoren Dr. Stefan Frings und Viola Damberg einen Blick auf die aktuell wichtigsten Entwicklungen und skizzieren, wie sich die Anbieter am besten für den immer raueren Wind im Wettbewerb rüsten.
In den vergangenen Jahren wurde der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland massiv vorangetrieben. Dabei spielt die Windenergie eine entscheidende Rolle. Allein 2024 wurden bundesweit mehr als 2.400 neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von 14 GW genehmigt – der höchste jemals erfasste Wert. Gleichzeitig waren zum Jahresbeginn 2025 4.400 genehmigte Anlagen mit 24,9 GW nicht am Netz. Einer der Gründe: Zwischen der Genehmigung und der Inbetriebnahme eines Windkraftwerks vergeht immer mehr Zeit. Lag die Realisierungsdauer anfangs bei rund einem Jahr, liegt sie inzwischen bei über zwei Jahren, einzelne Projekte ziehen sich bereits über fast acht Jahre hin.
Wichtiger Eckpfeiler im deutschen Strommix
Die Bruttostromerzeugung in Deutschland betrug im Jahr 2023 insgesamt 512 Mrd. kWh. Mehr als 53 Prozent davon stammten aus erneuerbaren Energien. Mit 116,7 Mrd. kWh aus Onshore- und 23,9 Mrd. kWh aus Offshore-Windkraftanlagen deckte Windenergie 2023 mehr als 27 Prozent der deutschen Stromerzeugung ab. Onshore bleibt zwar dominant, doch auch die Offshore-Kapazität soll bis 2030 auf 30 GW steigen (Stand 2024: 9,2 GW).
Strom aus Wind ist nicht nur ökologisch sinnvoll und ein zentraler Bausteine zur Erreichung der deutschen Klimaziele, sondern längst auch wirtschaftlich konkurrenzfähig: Mit 4,3 bis 9,2 Cent/kWh Onshore und 5,5 bis 10,3 Cent/kWh Offshore liegt Wind deutlich unter dem Preis für konventionelle Energieträger.
Wenige Hersteller dominieren den Markt
Zu den größten Onshore-Betreibern zählten im Jahr 2024 Unternehmen wie EnBW (1.031 MW), wpd (rund 1.500 Anlagen), Statkraft (über 600 MW), RWE (90 Parks) und Vattenfall mit einer Pipeline von 1,5 GW bis 2028. Diese Player investieren Milliardenbeträge und setzen neue Maßstäbe in der Projektentwicklung, Betriebsführung und Direktvermarktung.
Bei den Turbinenherstellern dominieren Vestas, Enercon, Nordex, GE Renewable Germany und Siemens Gamesa den Markt.
Parallel gewinnen chinesische Marktteilnehmer an Bedeutung, auch in Europa. Schließlich baut China jährlich mehr Windräder als jedes andere Land und strebt die Expansion auf weltweite Märkte an. So hat beispielsweise der chinesische Anbieter Ming Yang einen Vorvertrag zur Lieferung von Offshore-Windturbinen für den deutschen Nordsee-Windpark "Waterkant" abgeschlossen. Das Unternehmen soll 16 der weltweit stärksten Offshore-Windturbinen mit je 16 bis 18,5 Megawatt Leistung liefern. Während europäische Hersteller mit steigenden Produktionskosten und regulatorischen Hürden zu kämpfen haben, profitieren chinesische Windenergieunternehmen von staatlichen Subventionen und gezielten Marktstrategien. Vor diesem Hintergrund wird der Ruf nach Schutzmaßnahmen gegen die wachsende chinesische Konkurrenz in der europäischen Windindustrie immer lauter.
Rotorblätter, Getriebe, Mast und Generatoren: Steigende Anforderungen treiben die Komplexität
Windkraftanlagen werden immer höher und effizienter, aber auch komplexer. Die durchschnittliche Turmhöhe liegt heute bei über 200 Metern. Gleichzeitig wachsen die Rotorblätter auf bis zu 100 Meter Länge – eine Belastungsprobe für Material und Transportlogistik.
Ein neuralgischer Punkt bleibt das Getriebe, das in Onshore-Anlagen den Rotorantrieb auf den Generator überträgt. Wartungskosten und Ausfallrisiken machen es zu einer kritischen Komponente. Im Zuge von Repowering-Projekten, also wenn bestehende Windkraftanlagen durch moderne, leistungsstärkere Technologien ausgetauscht werden, werden hier immer häufiger direkte Getriebelose Systeme oder moderne Pitch-Technologie zur Laststeuerung eingesetzt. Betreiber müssen in präventive Wartung und Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) investieren.
Politischer Rückenwind mit Tücken
Neue gesetzliche Rahmenbedingungen wie das Wind-an-Land-Gesetz, das EEG 2023, der Pakt für Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung sowie das Windenergieflächenbedarfsgesetz schaffen zwar die Grundlage für mehr Flächen und schnellere Verfahren, doch die Umsetzung in den Ländern erfolgt weiterhin schleppend.
Auch der Förderrahmen ist stark volatil. Die Umstellung auf Ausschreibungsmodelle, die EEG-Anpassungen und lokalpolitische Widerstände sorgen weiterhin für Unsicherheit. Das erschwert vor allem kleineren Betreibern oder Genossenschaftsprojekten den Marktzugang.
Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette
In Windparkprojekten müssen viele Glieder einer Kette optimal zusammenspielen: von der Projektinitiierung und Finanzierung über die Komponentenherstellung (Rotorblätter, Türme, Getriebe, Generatoren) bis hin zu Logistik, Installation, Netzanschluss und Betrieb.
Zusätzlich sind die Unternehmen mit einer ganzen Reihe komplexer Herausforderungen konfrontiert. Als Folge von Inflation und Rohstoffknappheit steigen die Materialkosten, insbesondere bei Stahl und Verbundstoffen. Auch der Transport sowie die Wartung und Reparatur der Anlagen werden zunehmend teurer. Gleichzeitig sinken die Einspeisevergütungen infolge der Umstellung von festen Tarifen auf Ausschreibungsmodelle. Diese unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen für zusätzlichen Preisdruck und unsichere Ertragsprognosen.
Auch in der Windenergiebranche entpuppen sich überbordende Regulatorik und Bürokratie zunehmend als Wachstumsbremse. Langwierige Genehmigungs-prozesse, komplexe, mehrstufige Planungs- und Abstimmungsverfahren mit zahlreichen Behörden und häufige Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen (z. B. EEG-Anpassungen), aber auch Blockaden durch lokale Betroffene und die Marktvolatilität bei Strompreisen erschweren eine belastbare Planung.
Zu den technologische Hürden – etwa bei der Integration neuer Technologien und digitaler Steuerungssysteme zur Optimierung der Anlagenleistung oder durch den schleppenden Ausbau der Netzinfrastruktur – gesellen sich finanzielle Probleme. Viele Projektkalkulationen erweisen sich als unrealistisch, etwa, weil Kosten unterschätzt und Erträge überschätzt werden. Fehlende Liquiditätsreserven können schnell zu finanziellen Engpässen führen. Auch im Risikomanagement und bei der Vertragsgestaltung haben viele Unternehmen Defizite.
Strategien für eine resiliente Windindustrie
Um den dynamischen Marktbedingungen standzuhalten, empfehlen wir unter anderem folgende Maßnahmen:
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Flexibles Energie- und Vermarktungsmanagement: Flexible Power Purchase Agreements (PPAs) mit variabler Preisgestaltung, gezielte Finanzierungsoptionen und Speicherlösungen sowie strategische Partnerschaften mit energieintensiven Industrien reduzieren Marktvolatilität und optimieren die Einnahmen.
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Mehr Effizienz durch Automatisierung, modulare Fertigung, Einkaufskooperationen und Digitalisierung. Auch durch die Verlagerung von Produktionskapazitäten in kostengünstigere europäische Regionen können Betreiber und Zulieferer ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber asiatischen Herstellern verbessern.
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Frühzeitige Experteneinbindung: Um Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, empfehlen wir, diese parallel laufen zu lassen. Auch die Fokussierung auf Repowering-Projekte schützt vor Verzögerungen und schafft Planungssicherheit.
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Diversifizierung der Lieferkette, langfristige Lieferverträge, strategische Bestände, verstärkte Eigenproduktion, strategische Lagerung und Einkaufsmonitoring reduzieren Abhängigkeiten und Insolvenzrisiken auf Seiten der Lieferanten.
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Unabhängige Finanzierungsstrategien: Durch den verstärkten Einsatz von PPAs, hybride Energieparks mit Wind -, Solar- und Speichersystemen sowie alternative Finanzierungsmodelle mit höherem Eigenkapitalanteil können Unternehmen sich langfristig unabhängiger von staatlichen Förderungen und regulatorischen Schwankungen machen.
Steigende Kosten, wachsende Konkurrenz: Anlagenbetreiber sollten jetzt handeln
Die Windkraft ist ein zentrales Rückgrat der Energiewende – und ihre Bedeutung wird weiter steigen. Doch ohne entschlossene Umsetzung, innovative Technologien, partnerschaftliche Geschäftsmodelle und eine realistische Projektsteuerung kann der aktuelle Rückenwind schnell verpuffen.
Windparkbetreiber sollten deswegen jetzt handeln: Durch strategische Planung, fundierte Investitionen und ein solides Risikomanagement sichern sie nicht nur ihre Marktposition, sondern tragen aktiv zu einer klimafreundlichen Zukunft bei.