Wasserstoff gilt als einer der zentralen Energieträger, wenn es darum geht, die Bereiche Industrie und Verkehr klimaneutral zu transformieren. Bis 2030 sollen der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zufolge allein in Deutschland zehn Gigawatt Elektrolysekapazität entstehen. Das würde ein Drittel bis die Hälfte des heimischen Bedarfs decken – und eine fast sagenhafte Skalierung der aktuellen Kapazitäten bedingen. Während viele den Plan deswegen für völlig unrealistisch halten, sieht enomyc-Autor Wolfram Hackbarth durchaus Chancen. Denn die industrielle Herstellung der Stacks, die dafür gebraucht werden, ist zwar hochkomplex, dank Digitalisierung und Industrie 4.0 aber auch in Hochlohnländern wirtschaftlich darstellbar.
Stacks sind das Herzstück eines Elektrolyseurs. Damit spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung von Wasserstoff. Technisch gesehen bestehen Stacks aus mehreren in Serie geschalteten Elektrolysezellen. Jede Zelle enthält zwei Elektroden, eine Anode und eine Kathode, außerdem einen Elektrolyten, der die Ionen leitet. Läuft der Elektrolyseur, wird elektrischer Strom durch den Stack geleitet, wodurch Wasser (H₂O) in seine Bestandteile Wasserstoff (H₂) und Sauerstoff (O₂) zerlegt wird. Dabei wird der Wasserstoff an der Kathode freigesetzt, während an der Anode Sauerstoff entsteht. Stacks sind für den weiteren Ausbau der Wasserstoffproduktion vor allem deswegen so wichtig, weil sie darüber bestimmen, wie effizient und mit welcher Kapazität Elektrolyseure arbeiten. Dadurch, dass sie modular aufgebaut sind, lässt sich die Produktionskapazität durch das Hinzufügen weiterer Zellen leicht erhöhen. Stacks müssen außerdem extrem haltbar und effizient sein, um mit minimalen Energieverlusten in großem Maßstab Wasserstoff zu erzeugen. Die Industrialisierung von Stacks für Elektrolyseure zur Wasserstoffgewinnung ist ein hochkomplexer Prozess, der durch Automatisierung, Industrie 4.0-Technologien (I4.0) und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit geprägt ist. Doch Digitalisierung und Industrie 4.0 eröffnen neue Potenziale, die Herstellung dieser wichtigen Komponenten auch in Hochlohnländern wirtschaftlich und nachhaltig zu gestalten. Dabei geht es in erster Linie darum, die Produktion so effizient, automatisiert und flexibel wie möglich zu machen und dadurch die Kosten zu senken – eine Voraussetzung, damit Produktionsstätten in Westeuropa langfristig wettbewerbsfähig produzieren können. Unter Berücksichtigung der genannten Trends lässt sich der Industrialisierungsprozess wie folgt beschreiben.
Lasten- und Pflichtenheft: Automatisierung mit einplanen
Bereits bei der Erstellung des Lastenhefts, in dem die Entwicklungsabteilung die technischen Anforderungen festlegt, sollten zukünftige Automatisierungspotenziale und die Integration von Industrie 4.0-Technologien berücksichtigt werden. Das Industrial Engineering stellt derweil sicher, dass das Produktdesign zukünftige Automatisierungsprozesse unterstützt:
- Modulares Produktdesign: Ein modulares Design der Stacks ermöglicht eine flexible Anpassung der Produktionsprozesse an unterschiedliche Anforderungen. Das ist wichtig, um künftige Automatisierungspotenziale zu nutzen und schnell auf neue Technologien reagieren zu können.
- Skalierbarkeit der Produktion: Bereits im Lastenheft sollte festgelegt werden, dass die Produktionsprozesse skalierbar gestaltet sind, um eine einfache Anpassung an steigende oder auch kurzfristig fallende Produktionsmengen der Kundenaufträge zu ermöglichen.
- Schnittstellen für I4.0: Die Produktionssysteme müssen von Anfang an so konzipiert werden, dass sie mit I4.0-Technologien wie intelligenten Sensoren, vernetzten Maschinen und Datenanalyseplattformen kompatibel sind. Das stellt sicher, dass die Produktionslinie mit der weiteren Entwicklung im Bereich der Digitalisierung Schritt halten kann.
Das Pflichtenheft konkretisiert diese Anforderungen und beschreibt die technischen Details der Automatisierungsansätze. Hier wird auch die Einbindung von z.B. Handlingsrobotern festgelegt, die eine ergonomische und effiziente Handhabung der schweren Komponenten sicherstellen.
Mit Industrie 4.0 und Smart Factory vernetzt produzieren
Die Umsetzung von Industrie 4.0 im Produktionsprozess ist ein zentraler Baustein für die wirtschaftliche Herstellung von Stacks in Hochlohnländern. Durch eine vernetzte Produktionsumgebung, auch als Smart Factory bezeichnet, können Maschinen und Prozesse in Echtzeit überwacht und optimiert werden. Interessante Ansatzpunkte sind unter anderem:
- Verknüpfung von Maschinen und Daten: Durch die Vernetzung der Maschinen, Roboter und Sensoren können sämtliche Produktionsdaten in Echtzeit erfasst und analysiert werden. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Optimierung des Produktionsprozesses und eine schnelle Reaktion auf Störungen oder Qualitätsabweichungen.
- Vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance): Sensoren in Maschinen und Robotern überwachen den Zustand der Anlagen kontinuierlich. Dadurch können Wartungsbedarfe frühzeitig erkannt und ungeplante Ausfallzeiten vermieden werden. Dies erhöht die Anlagenverfügbarkeit und senkt die Produktionskosten.
- Selbstlernende Produktionssysteme: Durch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz können die Produktionssysteme kontinuierlich Daten analysieren und selbstständig Prozesse optimieren. Systeme können dadurch beispielsweise den optimalen Zeitpunkt für Roboterbewegungen oder den effizientesten Produktionsweg bestimmen oder auch Serienprozesse in der Produktion und Logistik selbstständig unterbrechen, wenn Abweichungen von Vorgaben erkannt werden, z.B. bei Qualitätsraten oder Prozesszeiten.
In der Zusammenarbeit zwischen Industrial Engineering und Produktion wird diese Vernetzung durch eine detaillierte Planung und Integration von Maschinen und IT-Systemen im betrieblichen Alltag umgesetzt. Diese „smarte“ Produktionsumgebung ermöglicht erhebliche Effizienzsteigerungen und damit auch eine wirtschaftliche Produktion von Stacks in Hochlohnländern Westeuropas.
Automatisierung als Schlüssel zur Effizienz
Ein weiterer wesentlicher Hebel im Industrialisierungskonzept sind Automatisierungslösungen. Sie sind vor allem in Hochlohnländern unerlässlich. Der Einsatz von Robotertechnologien und kollaborativen Robotern (Cobots) in der Produktion hilft dabei, die Personalkosten zu senken und gleichzeitig die Effizienz zu steigern:
- Handlingsroboter: Diese können z.B. die schwere körperliche Arbeit übernehmen, indem sie die teilweise über 50 Kilogramm schweren Baugruppen heben, positionieren und präzise montieren. Durch die Nutzung von Industrierobotern wird die Belastung der Mitarbeitenden deutlich reduziert, gleichzeitig steigt das Produktionstempo.
- Kollaborative Roboter (Cobots): Im Unterschied zu herkömmlichen Industrierobotern arbeiten Cobots direkt mit den Menschen zusammen. Sie übernehmen unterstützende Aufgaben, während sich die Menschen auf komplexere Aufgaben konzentrieren können. Diese Roboter sind flexibel einsetzbar und können, weil sie sehr anpassungsfähig sind, in verschiedenen Produktionsbereichen eingesetzt werden.
- Flexible Automatisierung: Automatisierungslösungen müssen flexibel gestaltet sein, um auf unterschiedliche Produktvarianten und Änderungen in der Nachfrage reagieren zu können. Das bedeutet, dass Roboter und Maschinen schnell umprogrammiert oder umgerüstet werden können, um verschiedene Aufgaben zu übernehmen.
In enger Zusammenarbeit zwischen Entwicklung, Industrial Engineering und Produktion werden die Anforderungen an die Automatisierung geplant, implementiert und fortlaufend optimiert.
Wirtschaftliche Fertigung in Hochlohnländern: Nachhaltigkeit und Effizienz
Damit Stacks für Elektrolyseure in Westeuropa wirtschaftlich und nachhaltig produziert werden können, müssen einige Bedingungen erfüllt sein.
Dazu zählt erstens eine klare Automatisierungsstrategie zur Senkung der Arbeitskosten, denn durch den verstärkten Einsatz von Robotern und Automatisierung kann der Anteil der Personalkosten an der Gesamtproduktion signifikant gesenkt werden. Zweitens müssen intelligente Produktionssysteme genutzt werden, die eine optimale Nutzung von Ressourcen wie Energie, Materialien und Arbeitszeit gewährleisten. Eine solche ressourcenschonende Produktion ist nicht nur kosteneffizient, sondern reduziert auch den ökologischen Fußabdruck. Eine dritte Voraussetzung ist die systematische Nutzung lokaler Wertschöpfungsketten. Regionale Produktion reduziert Transportkosten und minimiert Lieferkettenrisiken. Dies wird insbesondere in Zeiten globaler Unsicherheiten ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein, um in Westeuropa nachhaltige Produktionsstätten zu betreiben.
Schließlich haben Hochlohnländer ein weiteres Ass im Ärmel, denn in der Regel verfügen sie über ausreichend hochqualifizierte Fachkräfte. Durch gezielte Schulungsprogramme, in denen Mitarbeitende den Umgang mit modernen Technologien wie Robotik, Automatisierung und Datenanalyse erlernen, lässt sich das Potenzial dieser Arbeitskräfte optimal nutzen.
Die langfristige Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in Hochlohnländern wird maßgeblich durch eine intelligente Kombination aus Automatisierung, Ressourceneffizienz und einer qualifizierten Belegschaft bestimmt. Hierbei arbeiten Entwicklung, Industrial Engineering und Produktion eng zusammen, um die technologischen Anforderungen mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten in Einklang zu bringen.
Zukunftstrends in der Produktion von Elektrolyseuren
Neben den aktuellen Technologien gibt es mehrere zukunftsweisende Trends, die die Industrialisierung von Elektrolyseuren nachhaltig beeinflussen werden.
So dürften einige Teile der Stacks in Zukunft durch additive Fertigung (beziehungsweise 3D-Druck) hergestellt werden. Dies würde nicht nur Materialeinsparungen ermöglichen, sondern auch die Flexibilität und Individualisierung der Produktion erhöhen. Auch ein Digitaler Zwilling (digital twin) der Produktionslinie kann dazu genutzt werden, die Prozesse virtuell zu simulieren und zu optimieren. Auf diese Weise können mögliche Engpässe frühzeitig erkannt und beseitigt werden, bevor sie die Produktion beeinflussen. Last but not least dürften auch Künstliche Intelligenz und Big Data bald eine große eine Rolle spielen. Die Nutzung von KI und Big Data wird die Analyse von riesigen Datenmengen aus dem Produktionsprozess ermöglichen und dadurch dazu beitragen, die Produktionseffizienz kontinuierlich zu steigern. Durch prädiktive Analysen können Produktionsabläufe außerdem vorhergesagt und laufend verbessert werden.
Automation und I4.0 machen die Stack-Produktion zukunftssicher – auch bei uns
Die Industrialisierung von Stacks für Elektrolyseure zur Wasserstoffgewinnung erfordert eine ganzheitliche Planung, die sowohl aktuelle technologische Entwicklungen als auch zukünftige Trends berücksichtigt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Entwicklung, Industrial Engineering und Produktion ist unerlässlich, um zukunftssichere und wirtschaftliche Produktionsprozesse zu gestalten. Durch die gezielte Nutzung von Automatisierung und Industrie 4.0-Technologien lässt sich die Produktion auch in Hochlohnländern wettbewerbsfähig und nachhaltig darstellen. Die Integration smarter Produktionssysteme und der Einsatz von Robotern sind Schlüsselstrategien, um dabei die Kosten zu senken, die Effizienz zu steigern und die Mitarbeitenden zu entlasten.