Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Das Jahresergebnis ist tiefrot und die Gläubiger fordern ihr Geld zurück. Die Gesellschafter, die ebenfalls Geld in das Unternehmen gesteckt haben, überlegen, dem Unternehmen einen Teil der (Zins-)Verbindlichkeiten zu erlassen. Das klingt zunächst nach einer guten Idee: Was hätte dieser Erlass allerdings für steuerrechtliche Folgen?
 
Welche gesetzlichen Voraussetzungen gelten für steuerfreie Sanierungsgewinne und wie steht es um die Veräußerung von Anteilen als Sanierungsmaßnahme?
STEUERFREIHEIT VON SANIERUNGSGEWINNEN

Der teilweise Erlass von (Zins-)Verbindlichkeiten: Was nach einer guten Idee klingt, ist allerdings risikobehaftet. Durch den Verzicht auf einen Teil der Verbindlichkeit erzielt die Gesellschaft einen Ertrag. Ist dieser Ertrag größer als die bis zum Verzicht aufgelaufenen Verluste, führt dies zu einem positiven Jahresergebnis. Besteht kein steuerlicher Verlustvortrag aus den Vorjahren oder ist dieser kleiner als die Erträge, dann muss ein fiktiver Ertrag versteuert werden. Genauso wird die bereits angespannte Liquidität der Gesellschaft gemindert.


DIE VORAUSSETZUNGEN

Das kann unter gewissen Voraussetzungen verhindert werden, erklärte der Fiskus im BMF-Schreiben vom 27. März 2003 IV A 6, BStBl 2003 I, S. 2140 und zwar, indem diese Sanierungsgewinne nicht besteuert würden. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte dieses Vorgehen allerdings – laut BFH Beschluss vom 28.11.2016 – GrS 1/15 und BFH Urteil vom 23.08.2017 I R52/14 – für europarechtswidrig beurteilt. Die Gesetzgebung fasste deswegen eine Neuregelung mit Wirkung ab dem 09.02.2017 in den §§ 3a EStG, 7b GewStG und 8c KStG.

Danach sind Sanierungsgewinne im Jahr des Erlasses und im Folgejahr steuerfrei, sofern

  • das Unternehmen sanierungsbedürftig
  • und sanierungsfähig ist
  • der Schuldenerlass sich zur Sanierung eignet und
  • die Gläubiger eine Sanierung mit dem Erlass beabsichtigen.

Alle vier Punkte sind vom zu sanierenden Unternehmen nachzuweisen.


BEDEUTUNG DER NEUREGELUNG

Ferner setzt die Anwendung der Neuregelungen voraus, dass die bisher aufgelaufenen steuerrechtlichen Verluste verbraucht worden sind. Bestehen diese noch, sind sie zuerst zu nutzen. Kosten, die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Sanierung stehen, sind bei Erlass kein steuerbefreiter Ertrag. Für sogenannte „Altfälle“, in denen es vor dem 09.02.2017 zu einem Erlass der Schulden gekommen ist, gilt die Neuregelung bei Antragstellung gemäß § 52 Abs. 4a Satz 3 EStG ebenfalls.

Entscheidend für den Berater ist aber jetzt die Frage, ob damit der „Streit“ zwischen dem BFH und der Finanzverwaltung beigelegt ist und damit Rechtssicherheit in Bezug auf die Steuerfreiheit der Sanierungsgewinne gegeben ist.

Die EU-Kommission hat sich diesbezüglich dahingehend geäußert, dass diese Art der Hilfe für sanierungsbedürftige Unternehmen als „bestehende Beihilfe“ einzuordnen ist, also eine Beihilfe, die nicht mehr für den Einzelfall zu genehmigen ist. Ob sich der BFH und damit der Europäische Gerichtshof (EuGH) dieser Rechtsansicht anschließt, bleibt abzuwarten.  


VERÄUSSERUNG VON ANTEILEN ALS SANIERUNGSMASSNAHME

Eine weitere Maßnahme der Gesellschafter zur Sanierung kann sein, Anteile an der Gesellschaft bzw. die gesamte Gesellschaft zu veräußern. Was ist hierbei zu beachten?

Mit dem § 8c Abs. 1 KStG gibt es eine Regelung, die grundsätzlich bei einem Anteilsverkauf von mehr als 50 Prozent dazu führt, dass der Verlust der Gesellschaft vollständig untergeht.

Nehmen wir an, eine GmbH hat einen steuerlich festgestellten Verlust von 1 Million Euro. Die Alt-Gesellschafter überlegen, einen Neu-Gesellschafter aufzunehmen. Dazu wollen sie ihm die Mehrheit der Anteile zum Kauf anbieten und entweder mit dem eingenommenen Geld ein weiteres Gesellschafterdarlehen geben oder – im Rahmen der Kapitalerhöhung – das Agio bei Neuausgabe der Anteile zur weiteren Finanzierung der Gesellschaft verwenden.

Der Neu-Gesellschafter wird aber nur dann einen Preis für die Anteile zahlen, wenn er seinerseits davon ausgehen kann, mit seinem Investment einen für ihn vorteilhaften Kapitalwert zu erzielen. Ist er davon überzeugt, dass die GmbH schnell wieder Gewinne abwirft, ist es vorteilhaft, wenn auf diese Gewinne auf Ebene der Gesellschaft keine Steuern gezahlt werden müssen, da ein Verlustvortrag vorhanden ist.

Bisher galt allerdings, dass in solchen Fällen die aufgelaufenen Verluste vollständig untergehen. Im Rahmen einer Sanierung ist aber der Anteilsverkauf wegen des § 8c Abs. 1a KStG anders zu behandeln. Danach kommt der § 8c Abs. 1, sofern die Voraussetzungen des § 8c Abs. 1a KStG erfüllt sind, nicht zur Anwendung.

Das bedeutet, dass für Anteilsübertragungen im Rahmen der Sanierung nach dem 31.12.2007 ab dem Veranlagungsjahr 2008 – und damit rückwirkend – die Verluste aus den Vorjahren nicht untergehen. Sie bleiben damit für einen potenziellen Investor erhalten und er kann diese bei der Ermittlung seines vorteilhaften Kapitalwerts der Investition mitberücksichtigen. Die fortgeführten Verluste senken die Steuerlast und erhöhen die Dividendenzahlungen der Gesellschaft an den Investor.

DIE AKTUELLE GESETZLICHE REGELUNG

Diese Regelung ist, nachdem sie im Jahr 2011 die EU-Kommission als rechtswidrige Beihilfe angesehen wurde, am 28.06.2018 – auch vom EuGH – so gebilligt worden und damit rechtssicher.

Damit steht Unternehmen, wie der oben exemplarisch dargestellten GmbH, die rechtssichere Möglichkeit offen, im Rahmen von wesentlichen Anteilsveräußerungen unter den Voraussetzungen des § 8c Abs. 1a KStG – Sanierung zur Verhinderung bzw. Beseitigung der Überschuldung bzw. der Zahlungsunfähigkeit bei gleichzeitigem Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen – eine Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durchzuführen. 


Unternehmen sei geraten, sich zur intensiven Betrachtung dieser Thematik an ihre Steuerberatung zu wenden.

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