Letzte Chance, auf den ,Krisen-Modus' umzustellen

Während wir mitten in der Energiekrise stecken und explodierende Preise beobachten, steht bereits die Rezession vor der Tür. In diesem toxischen Umfeld ist es wichtig, dass alle Führungskräfte die Situation sehr ernst nehmen und ein Gespür für die Dringlichkeit zur Umsetzung eigener Maßnahmen entwickeln. Der viel zitierte „Sense of Urgency“ ist ebenso wichtig wie die Erkenntnis, dass Hilferufe an die Politik nicht ausreichen werden. Eine Deckelung der Energiekosten, wie sie kürzlich beschlossen wurde, wird vielen Unternehmen das Leben sicherlich etwas leichter machen. Doch um einigermaßen gut durch diese Krise zu kommen, müssen Maßnahmen in allen Unternehmensbereichen getroffen und auf allen Ebenen umgesetzt werden. Dem Vertrieb und der Weitergabe gestiegener Kosten über den Preis kommt dabei eine zentrale Aufgabe zu.

Weitergabe gestiegener Kosten und die Rolle des Vertriebs

Die Widerstände gegen Preiserhöhungen sind sowohl im B2B-Geschäft als auch in Verbrauchermärkten gewaltig. Gleichzeitig hängt von der Fähigkeit, gestiegene Kosten über den Preis weiterzugeben, in hohem Maße auch das Überleben ab. Tempo und Konsequenz, mit der gestiegene Kosten an den Markt weitergegeben werden, sind entscheidend dafür, wie viel Handlungsspielraum sich ein Unternehmen erarbeiten kann.

Dabei ist zu beachten, dass sich die Möglichkeiten und erfolgversprechenden Strategien nach Branchenzugehörigkeit und Wertschöpfungsstufe unterscheiden. Branchenübergreifend gilt jedoch, dass es ein Fehler wäre, den Erfolg der Kostenweitergabe an der Beibehaltung der Rohergebnismarge festzumachen. Diese Vorgehensweise ist aus mehreren Gründen unzulänglich. Warum? 

  1. Einerseits suggeriert diese Vorgehensweise, dass eine Weitergabe der Kosten im Verhältnis 1:1 zu einer Beibehaltung der Rohergebnismarge führen würde. Das tut sie aber mitnichten: Häufig können Kosten nur mit Zeitversatz weitergegeben werden.
  1. Andererseits sind die Möglichkeiten der Kostenweitergabe innerhalb einer bestehenden Kundenstruktur in der Regel sehr unterschiedlich. Typischerweise gibt es Kundensegmente, bei denen sich gestiegene Kosten weniger leicht weitergeben lassen, als in anderen Segmenten.

Beide Sachverhalte zeigen, dass es nicht reicht, die gestiegenen Kosten 1:1 weiterzugeben. Um rechnerisch die gleiche Rohergebnismarge zu erreichen, müssen sie mit Aufschlag weitergegeben werden.


Kostensteigerungen nicht ,stumpf‘ in Preiserhöhungen überführen

Es gibt keinen Königsweg für erfolgreiches Pricing in Zeiten der Krise. Dafür sind die Anforderungen einzelner Branchen zu unterschiedlich. Und letztlich entscheidet immer auch die individuelle Kundenbeziehung über etwaige Ansätze und Methoden. Gleichwohl geht es in der Regel immer darum, eine ‚stumpfe‘ Preiserhöhung zu vermeiden und sie durch Preisdifferenzierung und veränderte Produkt- und Leistungsumfänge zu ersetzen. 

Vielversprechende Pricing-Modelle

Sogenannte „Kits“ bezeichnen das Angebot mehrerer Produkte (Bundling) zum Vorteilspreis. Aktuelle Beispiele sind die „Blackout-Kits“: Notfallpakete, die für eventuelle Stromausfälle ausrüsten sollen. In B2B-Lieferbeziehungen erweisen sich Preisgleitklausel als ein besonders nützliches Instrument: Sie gestalten die erwarteten Kosten- und Preissteigerungen für beide Seiten transparent und verdaulich. Grundsätzlich gilt es auch in Krisenzeiten, psychologische Preisschwellen zu nutzen: Hier eröffnet die Kombination von Rabatten (ganzheitliches Konditionensystem) zusätzliche Spielräume. Im Handel bieten vor allem dynamische Preisbildungsmodelle eine gute Möglichkeit, um für variable Nachfragestrukturen eine intelligente Ansprache parat zu haben.

Kostenweitergaben sind wichtig. Sie allein werden jedoch nicht ausreichen

Kunden haben in der Regel fixe Budgets, Konsumenten ein fixes Haushaltseinkommen. Hinzu kommt, dass auf Konsumentenebene die Sparquote steigt und sich die Nachfrage nach Industrieprodukten und Dienstleistungen rückläufig entwickelt. Häufig ist daher zu beobachten, dass eine erfolgreiche Preisdurchsetzung nur dann gelingt, wenn im Gegenzug Mengenzugeständnisse gemacht werden. In der Konsequenz erwirtschaften Unternehmen mit gleicher oder sogar verbesserter Rohergebnismarge weniger Rohertrag. Werden keine Maßnahmen zur Verbesserung der Aufwandspositionen unterhalb des Rohertrages ergriffen, verschlechtert sich das Ergebnis „bottom-line“ – ggf. bis in die Verlustzone. Natürlich könnte man nun reflexartig meinen, der Vertrieb müsse dann eben „noch eine Schippe drauflegen“. Das erscheint aber in der angespannten Situation eher unrealistisch.


Alle Unternehmensbereiche müssen sich an der Krisenbewältigung beteiligen

Die Weitergabe gestiegener Kosten muss parallel mit Kostensenkungen in allen Bereichen flankiert werden. Sind die Voraussetzungen erfüllt, ließen sich Personalkosten auch weiterhin über staatliche Programme wie das Kurzarbeitergeld (KUG) reduzieren. Es wäre aber falsch und unklug, sich nur darauf zu verlassen. Zur Wahrheit gehört auch, dass Unternehmen oft die Anzahl ihrer Beschäftigten verringern müssen. In Overhead- und Kernprozessen müssen dazu alle Leistungen hinterfragt werden.

Schnell wirksame Kostensenkungen lassen sich u. a. durch Leistungsreduzierung, wie Verzicht, Umfang und Servicegrad sowie durch Effizienzsteigerungen mittels Vereinfachung, Standardisierung und Anpassung der Führungsstrukturen realisieren. Auch die Verlagerung von Aufgaben in Länder mit günstigeren Faktorkosten ist – insbesondere für Unternehmen, die dort bereits Betriebsstätten unterhalten – eine praktikable Möglichkeit. Selbstverständlich sollten ebenfalls die sonstigen betrieblichen Aufwendungen auf den Prüfstand. Kurzfristig lassen sich Kosten für Büromaterial und Fremdleistungen, darunter Reinigung, Reparaturen, Kfz-Kosten, Werbungskosten, Bewirtungen und Geschenke, Spenden und Zuwendungen reduzieren.

Die richtigen Entscheidungen sind wichtig, aber auf die Umsetzung kommt es an

Entscheidungen jetzt schnell und konsequent zu treffen, ist unabdingbar. Das allein wird jedoch nicht ausreichen. Eine traurige Erkenntnis aus über 25 Jahren umsetzungsorientierter Managementberatung ist, dass mehr als 80 Prozent aller Handlungsprogramme nicht oder nicht vollständig umgesetzt werden. Zu häufig wird darauf vertraut, dass sich mit der Entscheidung zur Maßnahmenumsetzung auch die gewünschten Effekte einstellen. Dies ist mit Abstand der wichtigste Grund, weshalb viele Strategien nicht den gewünschten Erfolg bringen. Die professionelle Umsetzung von Entscheidungen ist mindestens genauso wichtig wie das Treffen der richtigen Entscheidung selbst. Ganz besonders in der aktuellen, gesamtwirtschaftlichen Lage, denn – so traurig es ist, so dramatisch ist es auch: Viele Unternehmen werden nach einer misslungenen Umsetzung keine zweite Chance bekommen.
 

Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung

Erfolgreiche Umsetzungen sind kein „Hexenwerk“. Schon die Berücksichtigung dreier einfacher Bausteinen erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich, durch die Umsetzung von Entscheidungen, auch die gewünschten Effekte zu realisieren:

  1. Umsetzung ist Sache der CEOs: Auch wenn sie sich nicht selbst um alle umsetzungsrelevanten Fragen kümmern können, so müssen doch die CEOs im ,Driver Seat' sitzen. Erfolgreiche Unternehmen bilden zur Unterstützung ihrer CEOs bspw. Stabsabteilungen, um sicherzustellen, dass die Maßnahmenumsetzung – neben dem Tagesgeschäft – ausreichend Fokus erhält.
  1. Umsetzungsfortschritt und erwartete Effekte müssen messbar sein: Komplexe Sachverhalte getroffener Entscheidungen müssen nachvollziehbar in kleinere, messbare Arbeitsschritte heruntergebrochen werden. Die Festlegung von Umsetzungsnachweisen erfolgt auf dieser Ebene und ist ein wichtiger Baustein für das Fortschritts-Monitoring. Auch ist es wichtig, die erwarteten Effekte über ihre Werttreiber und Mengengerüsten qualifiziert zu erfassen. Dadurch werden Voraussetzung für das Umsetzungscontrolling (Punkt 3) geschaffen.
  1. Umsetzungsfortschritt und Grad der Effektrealisierung müssen regelmäßig überprüft werden: Nur selten funktionieren Umsetzungen zu 100% nach Plan. Daher ist es wichtig, eventuelle Abweichungen und deren Konsequenzen zu erkennen. Erst dann kann rechtzeitig gegengesteuert werden. Fortschritts- und Effekt-Controlling sind zwingend notwendige Instrumente, um Umsetzungen zum Erfolg zu führen.

Wir sind auf Ihre Meinung gespannt. Diskutieren Sie mit uns!

Selbst wenn sich die Frage nach der Preisweitergabe trivial anhört: Sie ist es per se nicht. Schon deswegen nicht, weil Preis- und Mengeneffekte gleichzeitig mitgedacht werden müssen. Insbesondere dann, wenn Unternehmen mit komplexen Auftragsstrukturen arbeiten, die sich im Vergleich zueinander ändern, sind sie vor besondere Herausforderung gestellt.

Außerdem werden die aktuellen Herausforderungen nicht durch Pricing allein gelöst werden: Unternehmen müssen auf allen Ebenen schnell, mutig und entschlossen handeln. Dazu gehören auch Personal- und Sachkostenreduzierungen. Ein strukturiertes Vorgehen wird sie dabei unterstützen, schnell und bestimmt herauszufinden, welche Maßnahmen getroffen werden müssen und welche Unternehmensbereiche welche Beiträge liefern müssen, damit die Unternehmensziele weitgehend erreicht werden können.

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