Batterieproduktion in Europa: Zwischen Krise und Comeback
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Lange galt der Batteriemarkt als Paradebeispiel für eine zukunftsfähige Industrie in Europa. Die Nachfrage nach E-Mobilität, Energiespeichern und smarten Geräten schien grenzenlos – genau wie die Wachstums-prognosen. Start-ups wie Northvolt oder Britishvolt sorgten für Schlagzeilen, große Autohersteller gründeten eigene Batterie-Töchter, die Fördergelder flossen reichlich. Seitdem hat sich die Stimmung spürbar verändert: Wo einst Euphorie herrschte, macht sich Ernüchterung breit, viele groß angekündigte Projekte sind längst dem Rotstift zum Opfer gefallen. Die enomyc-Experten Dr. Stefan Frings und Robert Schröder erklären, was passieren muss, damit Europas Batterievision doch noch Realität werden kann.

Lange galt China als verlängerte Werkbank des Westens – kostengünstig, effizient, aber ohne eigene Innovationskraft. In der Batterietechnologie hat sich das Blatt längst gewendet: Asiatische Hersteller dominieren die weltweite Großserienproduktion von Batteriezellen – sei es für Elektrofahrzeuge, stationäre Speicher oder mobile Geräte. Europäische Unternehmen wurden von der Entwicklung zunächst überrollt. Spätestens seit Mitte der 2010er Jahre folgte die Gründung einiger neuer Unternehmen und Joint Ventures. Namen wie Northvolt, Verkor, Italvolt oder InoBat stehen sinnbildlich für den Aufbruch Europas in die Welt der Gigafactories.

Ein Großteil der weltweit produzierten Batteriezellen – rund 80 Prozent – wird direkt an die Automobilindustrie geliefert. Die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf Nischen wie Verbraucherelektronik, E-Bikes, Energiespeicher und Industrieanwendungen. Während weltweit die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen im Jahr 2024 noch um 25 Prozent auf mehr als 17 Millionen Fahrzeuge zulegte, erlebte Europa – und insbesondere Deutschland – einen herben Rückschlag: Der Einbruch der Neuzulassungen um fast ein Drittel in einem Zeitraum von nur einem Jahr lässt alle Alarmglocken schrillen. Für eine Industrie, die auf stabile Absatzmärkte und Skaleneffekte angewiesen ist, ein schwerer Rückschlag.

Die Folge: Der Großteil der ursprünglich ambitionierten Pläne zum Ausbau von Produktionskapazitäten wurde nach und nach reduziert oder ganz kassiert. Rechnete das Fraunhofer ISI einst bis 2030 mit einem Output von bis zu 1,5 TWh, scheinen nun 1 TWh ein eher realistisches Ziel.

Europäische Batterieproduktion: Stark in der Forschung, schwach in der Fertigung

Die europäische Vision war klar: Eine starke, unabhängige europäische Batterieindustrie, die mit Nachhaltigkeit und Qualität punkten kann. Doch der Weg dorthin ist steiniger als erwartet. Zwar brillieren europäische F&E-Abteilungen im Labor, doch der Übergang in die industrielle Serienfertigung offenbart massive Schwächen: Hohe Ausschussraten, inkonsistente Qualität und ein unzureichendes Verständnis der komplexen Produktionsprozesse – bei denen hunderte Parameter fein aufeinander abgestimmt sein müssen – führen oft zu teuren Verzögerungen beim Hochlauf der Fertigung.

Dazu kommt, dass deutsche und europäische Hersteller massiv von asiatischen Maschinen abhängig sind – genau wie vom Know-How des dazugehörigen Spezialpersonals – um eine heimische Produktion aufzubauen. Ohne deren Technologie und Expertise fällt es europäischen Playern schwer, skalierbare und wettbewerbsfähige Produktionsprozesse aufzubauen. So zeigt sich: Dem Ziel der technologischen Souveränität fehlt die Grundlage.

Die aktuellen makroökonomischen Rahmenbedingungen verschärfen die Lage zusätzlich. Neue weltweite Handelszölle, hohe Zinsen, eine schwache Konjunktur und das zögerliche Investorenverhalten setzen vor allem junge Unternehmen unter Druck. Es fehlt die notwendige Liquidität, um Innovationen voranzutreiben oder neue Standorte zu erschließen. Viele Start-ups kämpfen ums Überleben, obwohl ihre Technologien eigentlich das Potenzial hätten, Europas Batterieindustrie unabhängiger und nachhaltiger zu machen.

Strategien für den Neustart: Drei Wege aus der Krise

Trotz aller Hürden ist der europäische Traum von der Batterieproduktion noch keineswegs geplatzt. Was es jetzt braucht, ist frischer Wind und eine klare strategische Neuausrichtung.

Folgende drei Hebel haben das Potenzial, die aktuelle Krise in eine Zukunftschance zu verwandeln:

  1. Neue Märkte erschließen: Diversifikation & Internationalisierung
  • Durch Fokussierung auf Nischenmärkte wie Medizintechnik, Luftfahrt oder stationäre Energiespeicher können Batteriehersteller ihre Abhängigkeit von der Automobilindustrie reduzieren. Diese Märkte weisen zum Teil eine geringe Preissensitivität auf oder ermöglichen einen schnelleren Marktzugang, weil sie niedrigere technologische Hürden haben.
  • Auch internationale Absatzmärkte, insbesondere in Asien, Indien oder Australien, bieten noch enormes Wachstumspotenzial. Europäische Anbieter können mit Qualität und Zuverlässigkeit punkten und ihre Marktposition durch frühzeitige Präsenz in diesen Regionen stärken.

2. Technologievorsprung nutzen und ausbauen: Innovation, Software & Know-how

  • Der Übergang zu alternativen Zellchemien wie Natrium-Ionen oder Feststoffbatterien eröffnet neue Chancen zur technologischen Differenzierung. Frühzeitige Investitionen in Forschung und Kooperationen mit wissenschaftlichen Partnern sind entscheidend, um nachhaltig Wettbewerbsvorteile zu erreichen.
  • Batteriemanagementsysteme (BMS) entwickeln sich zur Schlüsseltechnologie für Effizienz und Lebensdauer. Unternehmen, die Softwarekompetenz aufbauen und intelligente, interoperable Softwarelösungen anbieten, können sich als Systemanbieter etablieren und zusätzliche Ertragsquellen erschließen.
  • Prozessoptimierung & Qualitätssicherung (Operational Excellence) reduzieren nicht nur Ausschussraten, sondern sichern langfristig wirtschaftliche Stabilität. Wer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in der Produktion beherrscht, kann Prozesse effizienter steuern, Batterien mit gleichbleibender Qualität produzieren und so die Kundenzufriedenheit nachhaltig verbessern.

3. Strukturelle Resilienz stärken: Wertschöpfungsketten vertiefen und vertikal integrieren

  • Die Absicherung der Rohstoffversorgung durch Beteiligungen oder Joint Ventures im Bergbau schützt vor Preisschwankungen und Lieferengpässen. Diese vertikale Integration bei Rohstoffen verbessert die Planungssicherheit und stärkt die Verhandlungsposition in einem zunehmend geopolitisch geprägten Markt.
  • Auch der Aufbau eigener Maschinenkompetenz kann helfen, die Abhängigkeit von asiatischen Ausrüstern verringern. Europäische Anbieter profitieren von kürzeren Lieferwegen, besserem Service und technischer Abstimmung auf lokale Anforderungen – ein strategischer Vorteil im Wettbewerb.
  • Klassische Managementaufgaben im Blick behalten: Solide kaufmännische Führung, realistische Planansätze und stabile Finanzierung sind wichtige Bausteine zur Absicherung gerade in innovativen und internationalen Geschäftsmodellen.

Was es jetzt braucht, sind Mut und kluge Entscheidungen

Der europäische Batteriemarkt steht an einem Wendepunkt. Die Euphorie der Anfangsjahre ist verflogen – aber das Potenzial bleibt. Langfristig wird der Bedarf an leistungsfähigen Batterien weiter steigen und bahnbrechende Technologien wie Natrium-Ionen- oder Feststoffbatterien könnten die Branche revolutionieren.

Unternehmen, die jetzt ihre Strategien überdenken, Nischenmärkte erschließen und gezielt in Forschung investieren, schaffen die Basis für nachhaltigen Erfolg. Gleichzeitig bietet die vertikale Integration von Rohstoffen und Maschinen sowie die Optimierung von Prozessen Möglichkeiten, Kosten zu senken und Risiken zu reduzieren.

In dieser komplexen Gemengelage kommt es auf fundierte Strategien, belastbare Planungsrechnungen und solide Finanzierungen an. Genau hier unterstützt enomyc Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette: Von der Restrukturierung über Transformation bis hin zu Transaktionen.

Mit unserer umfassenden Expertise in industriellen Transformationsprozessen, der Absicherung von Lieferketten und gezielten Wachstumsfinanzierungen kennen wir die Stellhebel, die Batteriehersteller in Europa jetzt stärken. Gerade in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten und wirtschaftlicher Turbulenzen helfen wir, Resilienz aufzubauen, Effizienzpotenziale zu heben und Unternehmen für die Zukunft auszurichten.

Lassen Sie uns gemeinsam Chancen in schwierigen Märkten identifizieren und umsetzen. Europas Batterieindustrie braucht kluge Entscheidungen – und verlässliche Partner.

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