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Herstellende Unternehmen können durch die Digitalisierung auch als Lösungsanbieter fungieren. RASTAL hat das mit seinem Smartglass®-Konzept bewiesen. Wie können Produkte erlebbar digitalisiert und Innovationen erfolgreich umgesetzt werden?

Wir haben RASTALs geschäftsführenden Gesellschafter Raymond Sahm und den Strategieexperten Dr. Stefan Frings von enomyc zum Interview getroffen: Was gehörte dazu, um aus einer guten Idee ein funktionierendes Produkt und ein profitables Geschäftsmodell zu entwickeln?

Herr Sahm, Sie führen das heute 100-jährige Unternehmen RASTAL bereits in dritter Generation. Wie erlebten Sie den Durchbruch der Firma in den 1960er Jahren?

RS: Ich war 7 Jahre alt, als RASTAL das weltweit erste Markenglas kreierte: ein exklusives Glas-Design für Bitburger. Das war 1964. Damals war mir nicht bewusst, welch ein Meilenstein der Bitburger-Pokal war! Es folgten weitere Designs: 1969 kam die Warsteiner-Tulpe dazu, 1976 der Veltins-Pokal, 1979 das erste Weizenbierglas für Erdinger. Diese uniquen Formen sind Markenikonen, die noch heute im Einsatz sind.

Rastal_Interview_Raymond_Sahm_Exklusivglas_enomyc_1200x800Sie sind 1991 ins Unternehmen eingetreten. Was hat sich in jüngster Zeit getan?

RS: Nun, wir gelten heute als Marktführer und haben weltweit über 200 Design-Preise mit unseren Exklusivgläsern gewonnen – insbesondere in den letzten vier Jahren. 2016 wurden wir „Marke des Jahrhunderts“ und zählen somit zu den stärksten Marken Deutschlands. Im Mai 2019 erhielten wir den GERMAN INNOVATION AWARD in Gold für unser RASTAL Smartglass®-Konzept. Wir haben uns als erster Hersteller an die Digitalisierung eines Trinkglases gewagt.


Erzählen Sie mehr darüber: Wie kam es zur Idee und Kreation des Smartglass®?

RS: Unser Motto lautet „Innovation aus Tradition“. Wir haben das Thema Digitalisierung in der Getränkeindustrie natürlich aktiv mitverfolgt. Viele unserer Kunden stellten sich verstärkt digital auf. Uns war klar: Auch wir müssen unsere Produkte digital anreichern.

Doch wie verbindet man das Thema Digitalisierung mit einem Trinkglas? Welche Mehrwerte könnten wir damit für unsere Kunden schaffen? Das waren mitunter die Leitfragen, denen wir uns gemeinsam mit einer Technologie-Agentur stellten. Mit Blick auf das Thema „Vernetzung und Digitalisierung“ entwickelten wir schließlich das RASTAL Smartglass® Konzept. Damit konnten wir die Digitalisierung in der Getränkeindustrie ein Stück weit prägen. Darauf bin ich schon stolz!

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Welche Technologie steckt denn genau im Smartglass®?

RS: Wir haben das Trinkglas mit einem RFID-Transponder verbunden. Dabei wird ein NFC-Chip mittels Smartprint® dauerhaft aufs Glas aufgebracht. Das ist eine spezielle – von RASTAL zum Patent angemeldete – Drucktechnik. Jeder Chip hat einen spezifischen, individuellen Code, der für unsere Kunden immer wieder neu mit Inhalten bespielbar ist.

Mit dem Smartglass® sind wir erstmalig in der Lage, den „digitalen Dreiklang“ in der Getränkeindustrie herzustellen: Wir bringen unsere Industriekunden in eine integrierte Interaktion – sowohl mit der Gastronomie als auch mit den Endkonsumenten. Das fördert Kundenloyalität und Markenführung auf allen Ebenen.

Wie funktioniert das genau in der Praxis?

RS: Die meisten Smartphones oder Tablets sind NFC-fähig: Die Endkonsumenten brauchen nur ihr Smartphone an ihr Glas halten, der Chip wird ausgelesen und sie werden mit einer digitalen Anwendung wie einer Website oder einer App verbunden. Die notwendige Dateninfrastruktur sowie die grundlegenden Anforderungen an Datensicherheit gewährleisten wir den gesamten Prozess über mit erfahrenen Partnern.

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Welche Vorteile ergeben sich daraus genau für Industriekunden und ihr Marketing?

RS: Kommunikation und Markenbildung: Unsere Kunden haben mittels Smartglass® die Möglichkeit, in Echtzeit – unmittelbar beim Genuss des Getränks und ohne Streuverluste – mit den Konsumenten zu interagieren. Das reicht von breit angelegten Kampagnen bis hin zur persönlichen Ansprache individueller Kunden. Die daraus gewonnenen Daten können zur Optimierung der Supply-Chain sowie logistischer Prozesse beitragen.

Die Gläser können dabei mit immer neuen Marketingaktionen kundenspezifisch codiert werden. Von der Effizienz und den Kosten ist das im Vergleich zu anderen Marketingansätzen nur schwer zu toppen. In erster Linie nutzen unsere Industriekunden die Smarttechnologie, um über interaktive Gewinnspiele oder Loyalitätsprogramme vor Ort mit ihren Endkunden zu interagieren und so den direkten Konsum in der Gastronomie zu befeuern. Das ist für Getränkemarken in diesem Absatzsegment ausgesprochen wichtig.

Welchen Nutzen ziehen die Endverbraucher daraus?

RS: Sie werden zum Enabler. Nehmen wir das konkrete Beispiel Musikfestivals: Normalerweise läuft es so ab, dass Festivalbesucher an Theken anstehen und dort für Getränk und Becherpfand zahlen. Wir haben das Smartglass® auf dem Wacken Open Air getestet. Dazu entwickelten wir mit Partnern eine Art digitalen Getränkeautomaten. Diese digitale Bar ermöglichte Self Service: Der Automat erkannte den Füllstand, was für ein Becher mit welchem Getränk gefüllt werden musste und regelte die digitale Pfandführung für Mehrwegsysteme. Der Geldbetrag für Getränk und Pfand konnte anschließend bargeldlos via App beglichen werden. Die Vorteile hier sind: kein Gedränge, immer frisch gezapfte Getränke, kontrollierte Self Service- und Bezahllösungen – insgesamt also eine klare Verbesserung der Customer Convenience.
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Wie profitiert die Gastronomie?

RS: Betriebsrestaurants können mit dem Smartglass® Abläufe digital steuern, dadurch Wartezeiten optimieren oder sogar SB-Kassen ermöglichen – sprich: Sie zapfen Ihr Getränk mit einem RASTAL Smartglass® und alle Artikelinformationen wie Getränkeart, die Füllmenge und der Preis werden indessen vollautomatisch an die Kasse übermittelt.

Gastronomen erhalten außerdem über den codierten Transponder Insights darüber, welche Getränke besonders gut laufen und können ihr Angebot darauf ausrichten. Auch erhalten sie Informationen darüber, wann welches Getränk nachbestellt werden muss. So können sie die Bestellprozesse und die Logistik mit viel weniger Aufwand betreiben.

Auch hier profitiert das Marketing: So können beliebige Botschaften an die für die Gastronomie relevante Zielgruppe versendet werden, während sie ihr Lieblingsgetränk konsumiert. Denken Sie an Gewinnaktionen – vom Freibier bis zur Steuerung einer digitalen Jukebox: Die Möglichkeiten, die das Smartglass® ermöglicht, sind unendlich. Durch dieses neue Entertainment-Angebot können sich Gastronomen von anderen differenzieren.

RASTAL ist mit der Entwicklung des Smartglass® einen Schritt in eine ganz neue Richtung gegangen. Gab es auch Hürden in diesem Prozess und wenn ja: Wie wurden diese gelöst?

RS: Selbstverständlich gab es auch Hürden. Durch die Digitalisierung und Entwicklung eines digitalen Produkt- und Leistungskonzeptes sind wir nicht länger "nur" Glasveredler. Auch wenn dieses Geschäft nach wie vor unsere Kernkompetenz darstellt, entwickeln wir uns zusätzlich in Richtung eines digitalen Lösungsanbieters mit ständig wachsendem Leistungsangebot. Hinzu kommt, dass das Smartglass® ein völlig neues und auch erklärungsbedürftiges Konzept ist, das neben dem Kerngeschäft erfolgreich verkauft werden muss. Die deutsche Getränkeindustrie von den Vorteilen und dem Nutzen zu überzeugen, ist nicht leicht. Da ist viel Basisarbeit und Anschub im Sales notwendig.

Herr Dr. Frings, Sie sind Strategieexperte bei enomyc und begleiten RASTAL auch bei der Integration des Neugeschäfts. Was sind Ihres Erachtens die Hauptfaktoren, um neue Produkte auf dem Markt zu etablieren?

SF: Es gibt viele Möglichkeiten zur Prozessoptimierung in den Bereichen Einkauf, Produktion, Logistik, Vertrieb oder in der Auftragsabwicklung. Ich denke, die Haupterfolgsfaktoren sind Schnelligkeit und Qualität. Wer als erster innovative Produkte auf den Markt bringt, ist erfolgreich. Hierzu ist es erforderlich, die gesamte Wertschöpfungskette aus der Perspektive des Kunden zu betrachten und zu gestalten. Auf diese Weise entstehen kundenorientierte Geschäftsprozesse, die den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellen.

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Was sagt Ihre Erfahrung: Wie werden denn aus guten Ideen funktionierende Produkte oder auch ganze Geschäftsmodelle?

SF: Jeder weiß: Der Weg von einer guten Idee zu einem erfolgreichen Produkt ist in der Regel steinig. Die Entwicklung muss eine Idee in ein Produkt überführen, das vermarktbar ist. Für die Produktion sind Fertigungsprozesse zu gestalten und zu planen. Mitarbeiter müssen geschult werden und auch Lieferanten die erforderlichen Spezifikationen liefern können. Außerdem müssen die Kosten markt- und wettbewerbsfähig sein und der Vertrieb sollte die neuen Produkte auch vermarkten können. Letztlich sollten die Konsumenten überzeugt sein, diese Produkte zu benötigen.

Im Kern sind diese Herausforderungen immer gleich – ob es sich um ein Auto, eine Komponente oder um ein Konsumgut handelt. Gelebte und synchronisierte Prozesse, innovationsfreundliche Strukturen, eine leistungsfähige Supply Chain und motivierte Mitarbeiter sind in der Regel der Schlüssel zum Erfolg.

Was sind die Voraussetzungen, um eine Vision wie das Smartglass® zum Leben zu erwecken und nach dem Prototyp letztendlich erfolgreich die Serienproduktion zu realisieren?

SF: Wettbewerb ist nach wie vor der größte Innovationstreiber. Wie seit den Anfängen der industriellen Produktion ist es am Ende immer eine unternehmerische Vision und der Mut, neue Wege zu gehen. Schließlich ist eine große Innovation ja auch immer mit einem nicht zu unterschätzenden finanziellen Risiko verbunden. Nach Schumpeter sind Innovationen anfangs immer die Meinung von Minderheiten.

Im Grunde geht es immer darum, „Verbündete“ für eine Idee zu finden. Das sind zum einen Kunden, die für eine Pilotanwendung zur Verfügung stehen und für sich einen Nutzen in Form eines strategischen Wettbewerbsvorteils sehen. Zum anderen sind es die Mitarbeiter, die in einem innovationsfreundlichen Klima Produkte und Prozesse gestalten.

Welches Innovationspotenzial sehen Sie in der Digitalisierung und Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen?

SF: Das ist mit einer Anekdote schnell erzählt: Anfang der 1990er Jahre als die MIT-Studie sozusagen die Management-Bibel für das deutsche Management dargestellt hat, wurde Herr Lopez von einem Vorstandskollegen von BMW gefragt, was am Lean Management neu sei. Herr Lopez antwortete: „If you don’t realize what’s new, you will have a lot of time to play Golf”. Genau das ist der Punkt: Wer die Digitalisierung verschläft, wird mittelfristig vom Markt verschwinden. Von daher haben gute Ideen und schnelle Umsetzung Hochkonjunktur.

Darüber hinaus sehe ich noch einen zweiten wichtigen Aspekt: Die Wirtschaftsgeschichte hat gezeigt, dass Krisen und externe Schocks immer als Katalysator für Innovationen fungieren und Strukturumbrüche beschleunigen. Auch die Corona-Krise wird hier keine Ausnahme bleiben. Schon jetzt zeigt sich, dass Unternehmen mit einer hohen Digitalisierungsreife besser durch die Krise kommen als andere. Auch Unternehmen mit digitalen Produkten sind die Gewinner der Krise. So hat beispielsweise der Videokonferenzanbieter „Zoom“ aktuell einen höheren Börsenwert als die vier größten Fluggesellschaften zusammen. Auch wenn das eine Ausnahme ist, so zeigt dieser Vergleich sehr deutlich: Investitionen in Digitalisierung tragen in erheblichem Maße zur Steigerung des Unternehmenswertes bei.

Herr Sahm, welchen Rat würden Sie gern abschließend Unternehmen mit auf den Weg zu innovativen Produkten geben?

RS: Immer vom Kundennutzen auszugehen: Was hat er für einen Vorteil? Wie kann er aus unserem Produkt Mehrwerte erzielen, die so gut sind, dass sie die Endverbraucher begeistern und an seine Marke binden? Unternehmen müssen am Puls der Entwicklungen sein, das Kerngeschäft vorantreiben, es aber auch weiterentwickeln. Die Digitalisierung treibt Innovationen mit einem rasanten Tempo auf den Markt. Es gilt also, wach zu sein, andere Märkte zu beobachten und daraus abzuleiten, welche Bedeutung diese Entwicklungen für das eigene Produkt haben. Und auch Mut gehört dazu: Manchmal muss man sich „einfach“ trauen, neues Gebiet zu betreten.

Vielen Dank für das Gespräch.

RASTAL hat für enomyc einen digitalen Kaffeebecher entwickelt, den Sie vielleicht jetzt gerade in Ihren Händen halten. Aktuell leitet er auf diesen Blogpost. Dazu halten Sie einfach Ihre Tasse an Ihr Smartphone oder Tablet. Wie Sie wissen, kann der verknüpfte NFC-Chip beliebig mit neuen Inhalten codiert werden. Bleiben Sie also gespannt auf den Content, der zukünftig auf Ihrem Display erscheint.

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