Ein Horror-Szenario für jedes Unternehmen: Einer der umsatzstärksten Kunden ist weggebrochen. Das Management will wissen, wie sich der Ausfall auf das Betriebsergebnis auswirkt. Auch die Folgen für Umsatz, Bestand, Material- und Personalkosten sind schnellstmöglich zu ermitteln. Theoretisch schlägt jetzt die Stunde des Controllings. Doch das ist in der Praxis oft heillos überfordert. Peter Kink beschreibt in seinem Beitrag, wie sich Unternehmen mit gezielter Massendatenauswertung schnell einen Überblick verschaffen. Und warum die Unternehmenssteuerung trotz allem die Domäne der Führungsebene bleibt.
Hat sich die erste Panik gelegt, die die Nachricht vom Ausfall des Großkunden ausgelöst hat, passiert in vielen mittelständischen Unternehmen in der Regel Folgendes: Mit großem Aufwand werden Kennzahlen wie Auftragseingang oder der Auftragsbestand der verbleibenden Kunden mit den vorhandenen Kosten absolut und relativ mit Vergangenheitswerten und Planung verglichen. Aus dem ERP-System werden Listen generiert, die die Beschäftigten mithilfe komplexer Formeln auswerten. Nach einer gefühlten Ewigkeit bekommt das Management das Ergebnis präsentiert. Was niemand weiß: Sind die Zahlen überhaupt valide? Und wenn ja: Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus zu ziehen?
In einer solchen Situation kann die Auswertung von Massendaten wertvolle Hilfe leisten – vorausgesetzt, sie wird richtig ein- und umgesetzt.
ERP-Systeme liefern nur selten die gesuchten Informationen
Die meisten Unternehmen arbeiten heutzutage mit ERP-Systemen mit unterschiedlichen Modulen. Die Auswertungsmöglichkeiten dieser Systeme sind allerdings nach wie vor begrenzt. Auch ein Add-On liefert fallspezifisch nicht unbedingt das erwünschte Ergebnis, insbesondere dann, wenn die Auswertung tagesaktuelle Stammdaten im ERP-System erfordert.
Hinzu kommt, dass die in der Regel in Microsoft Excel hinterlegten Formeln technisch einwandfrei sein müssen. Sowohl bei verschachtelten Wenn-Funktionen als auch bei Matrixfunktionen kann es schnell zu technischen Problemen kommen.
Ein weiterer Grund dafür, dass die Auswertung von Massendaten immer schwieriger wird, ist die zunehmende Komplexität aller Unternehmensprozesse. Steigende regulatorische Anforderungen oder historisch gewachsene IT-Landschaften mit zahlreichen Systemen und Schnittstellen erschweren die Auswertung großer Datenmengen.
Umso entscheidender ist es, Massendaten möglichst effizient und in Echtzeit auswerten zu können, um auf dieser Grundlage wichtige taktische und strategische unternehmerische Entscheidungen treffen zu können.
Je klarer das Ziel, desto aussagekräftiger das Ergebnis
Bei Massendatenauswertungen wird ein Bündel an Daten nach bestimmten Kriterien verdichtet oder auch einfach nur entzerrt, um dadurch einen besseren Überblick über einen Sachstand zu bekommen. In der Regel liegen die Daten in Form einfach strukturierter Listen vor, die dazu auf eine höhere Ebene aggregiert werden.
Auf diese Weise kann etwa der Auftragsbestand auf Tagesebene auf Monate oder Jahre hin extrapoliert werden, Umsätze lassen sich nicht nur pro Auftrag, sondern auch auf Kundenebene darstellen, Durchlaufzeiten von Fertigungsschritten auf Maschinenebene aggregieren oder das Umlaufvermögen nach Alter der Bestände. Vereinfacht formuliert wird dabei aus einer unübersichtlichen Tabelle mit unter Umständen Hunderttausenden von Datensätzen eine informative und schnell lesbare Übersicht mit wenigen Zeilen und Spalten generiert, die sowohl Absolutwerte als auch Relativwerte zeigt und sogar Trends abbilden kann.
Valide Daten liefern Vermutungen die nötige Grundlage
Ein gutes Management hat die wichtigsten Unternehmenskennzahlen dank seiner Expertise und Berufserfahrung auch ohne Massendatenauswertung parat. Dieses tiefe Verständnis des eigenen Betriebs kann mithilfe der skizzierten Analysemöglichkeiten verifiziert und validiert und sogar um Informationen ergänzt werden, die es eigentlich noch gar nicht gibt, etwa durch Trends oder Einblicke in Unternehmensbereiche, die in bisherigen betriebswirtschaftlichen Analysen gar nicht betrachtet wurden. Genau das ist die Stärke einer guten Massendatenauswertung.
Ein Irrglaube, doch leider gängige Praxis, ist dagegen die Annahme, dass sich mithilfe von Massendatenauswertungen Muster erkennen oder konkrete Maßnahmen ableiten lassen – getreu dem Motto: Wir werten jetzt einfach mal aus. Irgend etwas wird schon dabei herauskommen.
Bevor also Massendaten ausgewertet werden, sollten Ziel und Zweck der Auswertung bekannt und klar formuliert sein. Geht es um eine Auswertung für strategische Ziele? Und: Wer ist der Adressatenkreis der Analysen? Auch, wie das Resultat auszusehen hat, sollte im Vorfeld definiert sein. So kann das Ergebnis einer umfänglichen Analyse beispielsweise ein Balkendiagramm sein, das horizontal eine Zeitreihe und vertikal bestimmte Werte abbildet. Oder eine Landkarte, auf der die Verteilung der Kundenumsätze, Roherträge oder Ergebnisse abgebildet sind.
Excel dominiert, hat aber seine Grenzen
Das am häufigsten eingesetzte Tool für kurzfristige Analysen ist nach wie vor Microsoft Excel. Theoretisch können in einer einfachen Tabelle eine Million Datensätze (= eine Zeile = ein Datensatz) erfasst und anschließend mittels der Funktion PIVOT zu einer übersichtlichen Matrix verdichtet werden. Bei dieser Fülle an Daten müssen aufgrund der großen erforderlichen Rechnerleistung allerdings Abstürze mit eingeplant werden.
Darüber hinaus gibt es Analysen wie etwa das Auslesen von Maschinendaten oder Bewegungsdaten in der Logistik, die unter Umständen weit mehr als eine Million Datensätze umfassen. In solchen Fällen bieten sich Tools wie Qlick, Power BI, Tableau, IBM Cognos, SAP BusinessObjects, Looker oder Domo an, die auf solche Anwendungen spezialisiert sind und große Datenmangen in Echtzeit auswerten können. Diese Tools lassen sich auch als „Cockpit“ aufbauen und für den dauerhaften Einsatz zum Auslesen von Kennzahlen „auf Knopfdruck“ zur Unternehmenssteuerung verwenden.
Ein qualifizierter Berater kann genau in dieser Situation sinnvoll unterstützen: mit Know-how in allen Unternehmensbereichen, insbesondere bei Operations und Finance. Dank seiner hohen Methodenkompetenz sollte er außerdem dazu in der Lage sein, umfangreiche Datenmengen zu analysieren und dem Management in Form eines Maßnahmenplans Empfehlungen für das weitere Vorgehen zu geben. Dabei sollten wichtige Punkte wie jährliche Aufwands- oder Erlöseffekte in den Umsetzungsplänen bereits pro Maßnahme ausgewiesen sein.